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Waldidyll

Von

Voll Haß und Unrast lief ich in den Wald:
Mein Herz war heiß; die Welt war tot und kalt.

Du Bächlein bist so wild und kraus wie ich;
Komm, schäumender Gesell, und lehre mich: –
Du gleitest singend über Blum′ und Moos –
was ist im großen Weltenspiel dein Los?
Und sprühend, perlend klang es aus dem Schaum,
ein Lied, die Welle sang es wie im Traum:

»Im Schoß der Berge kurze Stunden träumen,
ein froher Sprung vom steilen Hange her –
an starren Felsenklippen sich zerschäumen –
und seinem Selbst entsagen fern im Meer.« –

Noch lange horcht′ ich. Klang′s vom Himmel her?
»Und seinem Selbst entsagen fern im Meer.«

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Gedicht: Waldidyll von Otto Ernst

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Waldidyll“ von Otto Ernst beschreibt die innere Wandlung eines lyrischen Ichs in der Natur, insbesondere durch die Begegnung mit einem Bächlein. Ausgangspunkt ist eine Phase der inneren Unruhe und des Hasses, in der sich das Ich von der Welt entfremdet fühlt. Der Wald wird zum Zufluchtsort, in dem die Suche nach Trost und Sinn beginnt. Das Gedicht ist in zwei Teile gegliedert: die Beschreibung der eigenen Verfassung und die Interaktion mit dem Bächlein, das zum Lehrer wird.

Die zentrale Metapher des Gedichts ist das Bächlein, das vom Ich als Spiegelbild seiner eigenen Wildheit und Unruhe wahrgenommen wird. Der Dialog beginnt mit der Frage nach dem „Los“ des Bächleins im „großen Weltenspiel“. Die Antwort des Bächleins, die in einem Traumlied wiedergegeben wird, offenbart die Weisheit der Natur: kurzweilige Träume im Schoß der Berge, der Mut zum spielerischen Sprung, die Auseinandersetzung mit Widerständen in Form von Felsenklippen und schließlich die Auflösung und das Aufgehen im Meer, also die Hingabe an das Ganze.

Die Botschaft des Bächleins steht im Kontrast zur ursprünglichen Unruhe des Ichs. Es geht um die Akzeptanz von Vergänglichkeit, die Notwendigkeit von Veränderung und die letztendliche Loslösung von individuellem Ego, um Teil eines größeren Ganzen zu werden. Diese Erkenntnis wird durch das wiederholte Echo der Verse vom Himmel unterstrichen, wodurch die Lehre des Bächleins eine universelle Gültigkeit erhält. Das lyrische Ich findet Trost und eine neue Perspektive, indem es sich von der starren Haltung der „Welt“ entfernt und die fließende, sich wandelnde Natur zum Vorbild nimmt.

Otto Ernst nutzt eine einfache, klare Sprache und eine eingängige Reimstruktur, um die Botschaft des Gedichts zu vermitteln. Die Naturbilder sind lebendig und anschaulich, insbesondere die Beschreibung des Bächleins, das „singend über Blum′ und Moos“ gleitet. Das Gedicht ist ein Beispiel für die romantische Sehnsucht nach Harmonie und Einklang mit der Natur sowie nach der Überwindung innerer Konflikte durch Reflexion und die Erkenntnis des eigenen Platzes im Universum. Die Idylle des Waldes dient hier als Katalysator für die innere Wandlung des Menschen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.