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Sterben und Auferstehn

Von

Du Menschenkind, sieh um dich her…
Und weißt du eine Lehre,
Die größer und die tröstlicher
Für uns hienieden wäre? –

Dort, wo die Siegespalmen wehn,
Ist Sein nur, ist kein Werden,
Kein Sterben und kein Auferstehn,
Wie hier bei uns auf Erden.

Dort freun sie ewig ewig sich,
Ist ewig Licht und Friede,
Das Leben quillt dort mildiglich
Aus sich, und wird nicht müde.

Doch dieser Unterwelt ist nicht
Solch glorreich Los gegeben;
Hier ist ohn Finsternis kein Licht,
Und ohne Tod kein Leben.

Der Löwe liegt und fäult und schwellt –
Dann geht vom Fresser Speise;
Der Same in die Erde fällt
Und stirbt, – und keimt dann leise.

Und die Natur ein Spiegel ist;
Es wird darin vernommen:
Was deinem Geist du schuldig bist
Soll er zum Leben kommen.

Willst du wahrhaftig glücklich sein,
Auf festem Grunde bauen;
Mußt du den Dornenweg nicht scheu’n,
Der Rosenbahn nicht trauen.

Einst war ein großer Mann bedacht
Uns darin einzuweihen,
Und führte durch die lange Nacht
Das Volk zum Fest der Maien.

Drum spare dir viel Ungemach,
Du Menschenkind, und höre,
Und denke der Verleugnung nach,
Und jener großen Lehre.

In uns ist zweierlei Natur,
Doch ein Gesetz für beide;
Es geht durch Tod und Leiden nur
Der Weg zur wahren Freude.

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Gedicht: Sterben und Auferstehn von Matthias Claudius

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sterben und Auferstehn“ von Matthias Claudius ist eine tiefgründige Reflexion über die menschliche Existenz, das Leben, den Tod und die Hoffnung auf eine transzendente Erneuerung. Es beginnt mit einem Appell an den Leser, seine Umgebung zu betrachten und nach einer größeren, tröstlicheren Lehre zu suchen, als die, die sich uns im irdischen Leben offenbart. Der Dichter verweist auf die Existenz einer ewigen Freude und eines ewigen Friedens, die in einer anderen Welt zu finden sind, in der es kein Sterben und kein Werden gibt, wie es auf Erden der Fall ist.

Das Gedicht vergleicht die irdische Existenz mit dem Kreislauf der Natur. Die Metapher des Löwen, der verwest, und des Samens, der stirbt, um neues Leben zu schenken, verdeutlicht die Notwendigkeit des Todes als Voraussetzung für Wiedergeburt und Wachstum. Die Natur wird als Spiegel betrachtet, der uns zeigt, wie der Geist durch die Überwindung von Leiden und die Akzeptanz von Verlust zu neuem Leben und wahrer Freude gelangen kann. Dieser Kreislauf von Sterben und Auferstehen wird als Gesetz für beide Naturen – die irdische und die spirituelle – des Menschen erachtet.

Die zentrale Botschaft des Gedichts ist die Notwendigkeit der Leugnung und des Leidens als Weg zur wahren Freude. Die Zeilen „Willst du wahrhaftig glücklich sein, / Auf festem Grunde bauen; / Mußt du den Dornenweg nicht scheu’n, / Der Rosenbahn nicht trauen.“ betonen, dass wahres Glück nicht durch den Verzicht auf Mühen und Herausforderungen erreicht werden kann, sondern durch die Überwindung von Hindernissen und die Akzeptanz der dunklen Seiten des Lebens. Der Hinweis auf „ein großer Mann“, der das Volk durch die lange Nacht zum Fest der Maien führte, deutet auf eine religiöse oder spirituelle Figur hin, die den Weg zur Erlösung oder Erleuchtung weist.

Claudius’ Gedicht ist geprägt von einer tiefen Spiritualität und einem Trost in der Erkenntnis, dass der Tod nicht das Ende, sondern ein Teil des natürlichen Kreislaufs von Sterben und Auferstehen ist. Es ist eine Aufforderung, die irdische Existenz mit all ihren Leiden anzunehmen und sich gleichzeitig nach einer höheren, ewigen Freude zu sehnen. Die Verwendung einfacher, direkter Sprache verstärkt die Botschaft und macht das Gedicht zu einem zeitlosen Appell an die menschliche Seele.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.