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Die Ehekämpen (2)

Von

Es war am zwölften Mai
Um funfzehnhundertvier,
Der Herold rief herbei
Die Herrn zu dem Turnier.

Vorm Schlosse zu Turin
Ließ man die Schranke bau′n,
Der ganze Hof erschien
Der Ritter Kampf zu schau′n.

Herr Simon saß gar schlank,
In schwarz und rothem Kleid,
Auf einem Schimmel blank
In edler Männlichkeit.

Reich war sein Roß geschmückt,
Von Kopf zu Fuß behängt
Mit Decken goldgestickt,
Von Wohlgeruch durchtränkt.

Herr Corsant sprengt herfür
Auf einem Rappen wild,
Er und sein edles Thier
Der kecken Jugend Bild.

Sein atlass′nes Gewand
War grau und carmoisin,
Die Lanze in der Hand
Er fast so schön erschien,

Als Lucifer, eh′ er
Den Himmel einst verlor;
Manch′ Auge stolz und hehr
Flog heiß zu ihm empor.

Geöffnet ist die Bahn,
Es stürmt auf seinem Roß
Ein jeder Kämp′ heran –
Dann dröhnt der Lanzen Stoß.

Der Herr von Blonay ward
Getroffen auf die Brust,
Den Andern stieß er hart
Grad′ auf das Herz mit Lust.

Die Lanzen brechen beid′,
Die Ritter wanken nicht,
Zum zweiten Stoß bereit
Sind andre hergericht′t.

Doch jetzt, o großes Weh!
Der Jugend geht es schlimm,
Herr Simon von Blonay
Rennt an mit solchem Grimm,

Daß bei dem ersten Stoß
Herr Corsant schon sogleich
Hin auf den Boden schoß
Mit Sattel und mit Zeug.

Da tönte mancher Schrei
Aus holdem Frauenmund –
Denn als ob todt er sei,
So schwer lag er am Grund.

Doch war′s nicht ganz so schlecht;
Schnell sprang er wieder auf,
Greift dann zu dem Gefecht
An seines Schwertes Knauf.

Jedoch sein Kampfgenoß,
Ein ächter Held und Mann,
Läßt schnell ein ander Roß
Ihm führen auf den Plan.

Aufs Neu′ der Streit entbrennt,
Die Klingen kreuzen sich,
Sie fechten so behend,
So stark und ritterlich,

Daß nicht zu zählen mehr
Ist ihrer Streiche Zahl,
Es klingt als ob ein Heer
Sich schlüge auf einmal.

Der Herzog winkt, es sei
Des Kampfes jetzt genug –
Da neigen sich die Zwei
Vor seinem Urtheilsspruch.

Er sprach: »Herr Simon, Ihr
Verdient des Tages Preis,
Es stritt für′s Eh′panier
Wohl keiner noch so heiß.

Den schönsten Lohn Euch zollt
Dafür der rothe Mund
Der Dame süß und hold,
Mit der Ihr schloss′t den Bund.

Und uns′rer Ritterschaft
Seid Ihr ein Vorbild heut′,
Euch ziert nicht blos die Kraft,
Auch edle Biederkeit,

Die Ihr dem Feind bezeigt,
Dem kecken Jugendblut,
Das jetzt besiegt sich neigt
Für seinen Uebermuth.

Auch Ihr, Herr Corsant, traun,
Habt Euch als Held gezeigt,
Vor allen Herrn und Frau′n
Sei Euch dies laut bezeugt.

Und merkt es Euch nun fein:
Ein Ehemann so treu
Kann nicht besieget sein,
Weil in ihm kämpfen Zwei.

Werft schnell zu Füßen Euch
Der Dame von Blonay,
Ihr Lächeln anmuthreich
Bekehr′ auch Euch zur Eh′.

Doch nach des Satzes Wort,
Wie wir′s bestimmt genau,
Knie′t erst an diesem Ort
Vor unsrer hohen Frau!«

Er winkte mit der Hand
Den Ritter gnädig her.
Herr Corsant ruhig stand,
Doch war das Herz ihm schwer.

Er soll im Staube knie′n
Vor einem Frauenbild,
Dem keiner noch den Sinn
Bis heut erweichte mild.

Er sah die Herzogin,
Sie saß so grad und lang,
Dort unterm Baldachin –
Es war ein saurer Gang.

Fest ist gepreßt ihr Mund,
Das Auge kalt und grau –
Er schwört im Herzensgrund:
Nie nehm′ ich eine Frau!

Dann sinket er auf′s Knie
Und fleht um Gnade lind
Sie, und die Damen, die
Schon all′ vermählet sind.

Die strenge Herzogin
So stolz und imposant,
Sie reicht′ zum Kusse hin
Ihm gnädig ihre Hand,

Und sagte: »Wir verzeih′n;
Ihr schmiegt am Ende doch
Euch noch geduldig ein
Ins läst′ge Ehejoch!«

Er neigt sich ohne Wort
Und denkt: Wir wollen sehn!
Dann möcht′ er eiligst fort
Zur andern Feindin geh′n.

»Herr Simon, sagt mir schnell,
Wo Eure Gattin weilt,
Damit ich zu der Stell′
Kann eilen unverweilt.

Daß auch aus deren Mund
Verzeihung mich erhebt,
Die Euch den Ehebund
So zauberhaft gewebt!«

»Herr Ritter lieb und werth,«
Sprach Simon von Blonay,
»Es steht mein trauter Herd
Am blauen Lemansee.

Zwei Schlösser nenn′ ich mein
In jenem Paradies,
Auf einem muß sie sein,
Doch sag′ ich nicht gewiß,

Ob weilt im Chablais sie,
Ob sie schon überm See,
Verließ sie Meillerie,
Dann sucht sie in Blonay.

Dieweil ich fern von ihr,
Schenkt′ sie mir einen Sohn,
Drum ist sie nicht bei mir,
Der Frauen Zier und Kron′.

Doch hat′s so groß nicht Eil′,
Herr Ritter ruht Euch aus;
In einer kleinen Weil′
Reit ich mit Euch nach Haus.«

Herr Corsant wiegt das Haupt,
Der Plan gefällt ihm nicht:
»Herr Simon, nein, erlaubt,
Daß ich erfüll′ die Pflicht,

Die mir geboten ist,
Damit es schnell vorbei,
Es schlägt vor dieser Frist
Mir nicht das Herz mehr frei.

Erst dann mit frischem Muth
Ich neu mich freuen kann,
Daß ich ein junges Blut
Und noch kein Ehemann!« –

Vom Herzog ward in Huld
Der Abschied ihm gewährt,
Voll heißer Ungeduld
Schwang er sich schon auf′s Pferd,

Als noch der Morgenstern
Am dunkeln Himmel stand,
Ein Diener nur von fern
Folgt′ ihm ins fremde Land!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Ehekämpen (2) von Luise Büchner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Ehekämpen (2)“ von Luise Büchner erzählt die Geschichte eines Ritterturniers, das in einem Wettstreit der Liebe endet. Der Fokus liegt auf der Rivalität zwischen zwei Rittern, Herr Simon von Blonay, der bereits verheiratet ist, und Herr Corsant, einem jungen, ungebundenen Mann. Das Turnier dient als Rahmen, um die Stärke der Ehe und die Überlegenheit eines ehegebundenen Mannes gegenüber der Versuchung der ledigen Jugend zu demonstrieren.

Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung des Turniers und der Ankunft der Ritter. Herr Simon von Blonay wird als tapferer, reifer Mann in den Farben der Ehe dargestellt. Herr Corsant, der Inbegriff der jugendlichen Wildheit, wird mit der Verlockung des Teufels verglichen. Das Turnier selbst wird in lebendigen Bildern geschildert, mit dem Krachen der Lanzen und dem Aufschrei der Zuschauer. Herr Corsant verliert zunächst das Duell, doch ergreift der Kampf mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit nochmals. Am Ende wird Herr Simon zum Sieger erklärt, und die Moral des Gedichts kristallisiert sich heraus: Ein Mann, der durch die Ehe gestärkt ist, ist unbesiegbar.

Die Kernbotschaft des Gedichts wird durch die Reaktion von Herr Corsant deutlich. Er muss vor der Frau von Blonay, der Dame, die ihren Mann zum Sieg verholfen hat, um Vergebung bitten und der Herzogin die Hand küssen, was für ihn eine demütigende Erfahrung ist. Trotzdem verweigert er sich der Ehe, was seine jugendliche Ungebundenheit und seine Abneigung gegen die Fesseln der Ehe unterstreicht. Die Herzogin verzeiht ihm, prognostiziert aber gleichzeitig, dass er am Ende doch in die Ehe „einlenken“ wird.

Das Gedicht endet mit einem Dialog zwischen den beiden Rittern, in dem die Entfernung von Herr Simon von Blonay und seiner Frau betont wird, da diese nicht anwesend ist, da sie ein Kind erwartet. Dies zeigt die Unvollkommenheit der Ehe auf, die die Abwesenheit des Mannes von seiner Frau und ihrer Familie hervorhebt. Herr Corsant beschließt, unverzüglich zu der Frau von Blonays zu reisen, um auch von ihr Vergebung zu erlangen. Dies verdeutlicht seinen Wunsch nach Freiheit und seine Ablehnung der Ehe als Ideal.

Insgesamt ist das Gedicht eine literarische Auseinandersetzung mit den Themen Ehe, Liebe, Freiheit und Jugend. Es feiert die Stärke der Ehe, während es gleichzeitig die Freuden und Versuchungen des ledigen Lebens thematisiert. Die Autorin stellt auf subtile Weise die Komplexität menschlicher Beziehungen und die unterschiedlichen Lebensentwürfe dar, ohne eine eindeutige Wertung vorzunehmen. Das Gedicht ist somit ein faszinierendes Zeugnis der bürgerlichen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.