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Aus!

Von

Einmal müssen zwei auseinandergehn;
einmal will einer den andern nicht mehr verstehn – –
einmal gabelt sich jeder Weg – und jeder geht allein –
wer ist daran schuld?

Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.
Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.
Jeder trägt den andern mit sich herum –
etwas bleibt immer zurück.

Einmal hat es euch zusammengespült,
ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen, und dann erkühlt –
Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab -:
ein neuer Mensch.

Jeder geht seinem Schicksal zu.
Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.
Jeder sucht seine Zukunft. Und geht mit stockendem Fuß,
vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und Gruß
in ein fernes Land.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Aus! von Kurt Tucholsky

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Aus!“ von Kurt Tucholsky thematisiert auf ergreifende Weise das Ende einer Beziehung und die daraus resultierende Veränderung. Es ist ein Gedicht, das Trost spendet, indem es die Unvermeidlichkeit des Abschieds und die damit verbundene persönliche Weiterentwicklung in den Vordergrund stellt. Der Titel selbst, „Aus!“, ist ein kraftvolles Zeichen des klaren Endes, das jedoch nicht im Schuldzuweisungen endet, sondern in der Akzeptanz der natürlichen Ordnung.

Die erste Strophe beschreibt den Moment des Auseinandergehens, des Nicht-Verstehens und der getrennten Wege. Die rhetorische Frage „Wer ist daran schuld?“ wird sofort im nächsten Abschnitt beantwortet. Tucholsky negiert die Schuldfrage, indem er die Vergänglichkeit und den Lauf der Zeit als entscheidende Faktoren hervorhebt. Dieses Fehlen von Schuld ist eine wichtige Botschaft des Gedichts, denn es nimmt den Lesenden die Last der Schuldgefühle und ermöglicht einen versöhnlicheren Blick auf das Ende. Die Metapher der sich kreuzenden Straßen in der Unendlichkeit symbolisiert die unvermeidliche Trennung und die Weite der Möglichkeiten, die sich mit ihr eröffnen.

Die zweite Strophe vertieft die Thematik der Veränderung und des Wandels. Die Zeilen „Einmal hat es euch zusammengespült, / ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen, und dann erkühlt“ beschreiben den Prozess der Liebe und des späteren Abkühlens, der natürlichen Abnutzung jeder Beziehung. Die Metapher „Ihr wart euer Kind“ impliziert die Entstehung von etwas Neuem, das im Grunde die Beziehung selbst war, die nun in zwei neue Individuen zerfällt. Dies verdeutlicht die transformative Kraft des Abschieds: Durch das Ende wird Neues geschaffen, werden neue Wege und Möglichkeiten geschaffen.

Die abschließende Strophe beschreibt den individuellen Weg in die Zukunft. „Jeder geht seinem Schicksal zu“ unterstreicht die Eigenverantwortung und das Streben nach persönlichem Wachstum. Die Verse „Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du“ vermitteln die Hoffnung auf neue Beziehungen und Erfahrungen, die im Leben unweigerlich folgen. Das „ferne Land“ symbolisiert die Zukunft, die mit unbekannten Erfahrungen und Herausforderungen aufwartet. Trotz des „stockenden Fußes“ und der Absenz von Gruß und Erklärung, also ohne Gewissheit und Klarheit, wird der Vorwärtsdrang durch den „Willen“ angetrieben. Damit bietet das Gedicht eine beruhigende Perspektive auf Abschied und Neubeginn, indem es die Unvermeidlichkeit von Veränderung betont und die Hoffnung auf eine neue Zukunft in den Vordergrund stellt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.