Der Friede
Der Friede stürzt ins Land
Gleich einem Schaf, von Wölfen angerissen.
Er trägt ein grau Gewand,
Zerflattert und zersplissen.
Sein Antlitz ist zerfressen,
Sein Auge ohne Glanz.
Er hat vergessen
Den eignen Namen ganz.
Gleich einem alten Kind
(Gealtert früh in Harmen)
Steht er im Abendwind
Und bettelt um Erbarmen.
Es glänzt sein blondes Haar,
Der Sonne doch ein Teilchen.
Er bietet lächelnd dar
Ein welkes Herz und welke Veilchen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Der Friede“ von Klabund zeichnet ein erschreckendes Bild des Friedens, der durch Krieg und Leid zerstört wurde. Anstatt der erhofften Ruhe und Harmonie wird hier eine desillusionierende Szene gezeigt, in der der Frieden als eine Kreatur erscheint, die von Gewalt heimgesucht wurde. Der erste Vers „Der Friede stürzt ins Land“ deutet auf einen abrupten Fall hin, eine Art Absturz des Friedens in eine Welt, in der er nicht mehr willkommen ist oder nicht mehr existiert. Die Metapher des „Schafs, von Wölfen angerissen“ verdeutlicht die Verletzlichkeit und Hilflosigkeit des Friedens gegenüber den Kräften der Zerstörung, hier symbolisiert durch die „Wölfe“, die stellvertretend für Krieg und Konflikte stehen.
Die physische Verfassung des Friedens wird durch detaillierte Beschreibungen seines Aussehens unterstrichen. Das „grau Gewand, zerflattert und zersplissen“ symbolisiert Verfall und Zerrissenheit. Das Fehlen von Glanz im Auge und das vergessene „eigne[n] Namen“ unterstreichen den Verlust von Identität und Würde, die durch die erlittenen Traumata entstanden sind. Die Personifizierung des Friedens als ein „Kind“ verstärkt das Gefühl der Unschuld, das durch die erlittenen Qualen verloren gegangen ist. Dieses „alte Kind“, das „früh in Harmen gealtert“ ist, steht am Rande der Welt, verzweifelt und bettelnd um Erbarmen.
Trotz der düsteren Szenerie gibt es im Gedicht Momente des Kontrasts und der Hoffnung, wenn auch nur flüchtig. Das „blonde Haar“, das noch immer „ein Teilchen“ der Sonne widerspiegelt, lässt eine Ahnung von Schönheit und Licht aufblitzen, die jedoch durch das „welke Herz“ und die „welken Veilchen“ überschattet wird. Diese Symbole der Schönheit, Liebe und Hoffnung sind verdorrt und weisen auf die Unfähigkeit des Friedens hin, seine ursprüngliche Pracht zurückzugewinnen. Das Lächeln, das er anbietet, mag trügerisch sein, ein Ausdruck der Verzweiflung, da er nur verbliebene Überreste anbieten kann.
Insgesamt ist „Der Friede“ eine bittere Reflexion über die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf das menschliche Leben. Es ist ein Gedicht über den Verlust von Unschuld, die Zerstörung von Schönheit und die Schwierigkeit, nach einer Zeit der Zerstörung wieder Hoffnung zu schöpfen. Klabund nutzt starke Bilder und Metaphern, um die Trauer, die Verzweiflung und die bleibenden Narben des Krieges auf eindringliche Weise darzustellen. Das Gedicht endet mit einem tiefen Gefühl der Melancholie und dem Wissen, dass der Weg zum Frieden lang und beschwerlich ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.