Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , , , , ,

Recept wider böse Weiber

Von

Ein armer Ehegatte,
Der ohne seine Schuld
Die Höll‘ auf Erden hatte,
Ward endlich der Geduld
Nach langen Jahren müde,
Und schaffte schnell und klug
Sich vor dem Engel Friede,
Der ihn mit Fäusten schlug.

Sein Weib war bitterböse,
Die Tobsucht rief aus ihr,
Bey manchem Zankgetöse:
Ein Leides thu ich mir!
Ja ja, du Weiberhasser,
Du Teufel, der du bist,
Ich springe noch ins Wasser,
Wo es am tiefsten ist.

Sie sprachs zu tausendmalen,
Und sprang ins Wasser nie.
Auf neue Männerqualen
Dacht ihre Seele früh,
Sobald der Tag erwachte.
Ihr Dämon, schwarz und klein,
Blies ihr im Traum bey Nachte
Den Stoff zum Zanken ein.

Einst fieng beym Abendtische
Ihr Zorn zu donnern an,
Und still, wie stumme Fische,
Blieb ihr geplagter Mann;
Ließ ihrer frechen Zunge
Den Zügel – gab ihr nach,
Bis sie vom Wassersprunge
Mit blauen Lefzen sprach.

Da warf der Mann sein Messer
Tief in den Tisch, und riß
Das Weib an ein Gewässer.
Hier, sprach er: Thue dieß
Was du zu thun beschlossen.
Hier springe mir hinab. –
Hier sah sie, furchtbegossen,
Ins grause Wassergrab.

Sie hieng an seinen Armen
Und fühlte Todesquaal;
Er aber, ohn Erbarmen,
Er tauchte siebenmal
Sie unter mit dem Kopfe,
Bis sie die Luft verlor:
Und hub sie drauf beym Zopfe
Stark aus der Fluth empor.

Das Mittel half geschwinde;
Sie seufzte leichenblaß:
Ach! Männchen, sey gelinde,
Ach! liebes Männchen, laß
Mich diesesmal nur leben,
Und ende meine Pein,
Ich will mich gern bestreben,
Recht lämmerfromm zu seyn.

Der Mann ließ sich bedingen,
Das Weib ward zahm gemacht,
Und an kein Wasserspringen
Ward künftig mehr gedacht.
Sie lebten, sanft wie Tauben,
Von keinem Zank gequält,
Und alle Welt wirds glauben
Weil es ein Weib erzählt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Recept wider böse Weiber von Anna Louisa Karsch

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Recept wider böse Weiber“ von Anna Louisa Karsch ist eine satirische Erzählung in Versform, die auf drastische und humorvolle Weise von einem Ehekonflikt berichtet – und dessen überraschender „Heilung“. Karsch verbindet volkstümlichen Ton, Groteske und Ironie zu einer pointierten Moralfabel, die zugleich mit den gängigen Geschlechterbildern ihrer Zeit spielt und sie durch Überzeichnung ad absurdum führt.

Im Mittelpunkt steht ein Ehemann, der jahrelang unter dem tyrannischen Verhalten seiner Frau leidet. Diese wird als übersteigert jähzornig, laut, bedrohlich und hysterisch beschrieben – ein literarisches Zerrbild der „bösen Ehefrau“, das Karsch bewusst überzeichnet. Ihr wiederholter, jedoch nie vollzogener Droh-Satz, sich ins Wasser zu stürzen, dient als Leitmotiv der Anklage. Die Frau nutzt ihn als Machtmittel, um ihre Aggression zu steigern und Kontrolle zu behalten.

Der Umschwung erfolgt, als der Mann in einer Art listigem Befreiungsschlag die Drohung seiner Frau scheinbar ernst nimmt und sie selbst an das Wasser bringt. In einer grotesken Szene taucht er sie mehrfach unter, bis sie fassungslos und panisch ihre Wut aufgibt. Dieser Akt ist in seiner Brutalität zweideutig: Er wirkt wie eine satirische Überzeichnung, ein humorvoller „Weckruf“, darf aber nicht wörtlich moralisch verstanden werden. Vielmehr handelt es sich um eine übersteigerte Pointe in der Tradition der burlesken Ehedramatik.

Die Wandlung der Frau erfolgt prompt: Sie bittet reumütig um Nachsicht und verspricht ein sanftes, „lämmerfrommes“ Verhalten. Die Ironie kulminiert in der Schlusspointe, dass „alle Welt es glauben wird, weil es ein Weib erzählt“ – ein verschmitzter Kommentar auf die Glaubwürdigkeit und die überraschende Wendung der Geschichte. Karsch legt hier eine weibliche Perspektive vor, die mit den gängigen Geschlechterrollen kokettiert, sie aber zugleich kritisch unterläuft.

„Recept wider böse Weiber“ ist somit eine bissige, spielerisch überdrehte Satire, die in der Tradition komischer Ehedichtung steht, aber durch Karschs weiblichen Blick eine besondere Note erhält. Sie nutzt Groteske und Humor, um nicht nur über zwischenmenschliche Konflikte zu lachen, sondern auch die Machtverhältnisse in der Ehe ironisch zu beleuchten.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.