Wenn durch Berg und Tale draußen
Regen schauert, Stürme brausen,
Schild und Fenster hell erklirren,
Und in Nacht die Wandrer irren,
Ruht es sich so süß hier innen,
Aufgelöst in sel′ges Minnen;
All der goldne Himmelsschimmer
Flieht herein ins stille Zimmer:
Reiches Leben, hab Erbarmen!
Halt mich fest in linden Armen!
Lenzesblumen aufwärts dringen,
Wölklein ziehn und Vöglein singen.
Ende nie, du Sturmnacht, wilde!
Klirrt, ihr Fenster, schwankt, ihr Schilde,
Bäumt euch, Wälder, braus, o Welle,
Mich umfängt des Himmels Helle!
Lust der Sturmnacht
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Lust der Sturmnacht“ von Justinus Kerner feiert das behagliche Gefühl der Geborgenheit, das sich in der Konfrontation mit der Naturgewalt der Sturmnacht manifestiert. Die einleitenden Verse beschreiben die äußeren Bedingungen: Regen, Stürme und das Erröten der Wandrer in der Nacht. Diese Beschreibung des Sturms dient als Kontrast zum friedlichen, warmen Innenraum, in dem der Sprecher Zuflucht findet und Trost sucht.
Der zweite Teil des Gedichts enthüllt das Innere des Raumes, in dem der Sprecher sich befindet. Hier erlebt er ein „sel’ges Minnen“ – ein glückseliges Gefühl des Vergnügens und der Liebe. Die Beschreibung der „goldnen Himmelsschimmer“ und des „reichen Lebens“ deuten auf eine tiefe Zufriedenheit und Dankbarkeit für die kleinen Freuden des Lebens hin. Das Gedicht ist eine Bitte um Empathie und Geborgenheit in den Armen des Sprechers. Die Zeilen „Lenzesblumen aufwärts dringen, / Wölklein ziehn und Vöglein singen“ erzeugen eine idyllische Atmosphäre, die die Sehnsucht nach Harmonie und Ruhe unterstreicht.
Die letzte Strophe ist ein Aufruf an die Natur, die Sturmnacht möge niemals enden, und eine Beschreibung, wie der Sprecher die Umgebung wahrnimmt. Die Bitte „Ende nie, du Sturmnacht, wilde!“ ist eine Umkehrung der üblichen menschlichen Sehnsucht nach Ruhe und Sicherheit. Der Sprecher scheinen das stürmische Chaos als Kontrast zu seiner inneren Ruhe zu empfinden. Die Beschwörung des „Himmels Helle“ (des himmlischen Lichts) deutet auf eine Verschmelzung mit der Natur und die Erfahrung der Freiheit hin, die durch die Konfrontation mit dem Sturm erzeugt wird.
Kerner kreiert in diesem Gedicht eine beeindruckende Gegenüberstellung: Die raue, wilde Natur und die intime, schützende Umgebung. Der Kontrast verstärkt das Gefühl der Geborgenheit und des Glücks im Innenraum. Die Verwendung einfacher, melodischer Sprache und der reinen Reime tragen dazu bei, die Atmosphäre der Geborgenheit und die Freude am einfachen Leben zu vermitteln. Kerners Gedicht ist eine Feier der Kontemplation, ein Loblied auf die Fähigkeit, in der Welt inmitten der Gewalt einen sicheren und erfreulichen Ort zu finden.
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Lizenz und Verwendung
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