Zur Hochzeit
Was das für ein Gezwitscher ist!
Durchs Blau die Schwalben zucken
Und schrein: »Sie haben sich geküßt!«
Vom Baum Rotkehlchen gucken.
Der Storch stolziert von Bein zu Bein;
»Da muß ich fischen gehen -«
Der Abend wie im Traum darein
Schaut von den stillen Höhen.
Und wie im Traume von den Höhen
Seh ich nachts meiner Liebsten Haus,
Die Wolken darüber gehen
Und löschen die Sterne aus.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Zur Hochzeit“ von Joseph von Eichendorff beschreibt in zwei Strophen die Idylle eines Hochzeitsgeschehens aus der Perspektive der Natur und fügt in der dritten Strophe eine persönliche, sehnsuchtsvolle Reflexion des lyrischen Ichs hinzu. Die Natur, repräsentiert durch Vögel und den Storch, wird hier personifiziert und nimmt aktiv am Geschehen teil, wodurch eine fröhliche und lebendige Atmosphäre entsteht. Das Gezwitscher der Vögel und ihr Ausruf „Sie haben sich geküßt!“ verdeutlichen die freudige Erregung und das kollektive Wissen um das glückliche Ereignis, das in der Natur widergespiegelt wird.
Die zweite Strophe verstärkt die Naturbildlichkeit, indem sie den Storch als Beobachter und den Abend als verträumte Kulisse einführt. Der Storch, der traditionell für Glück und Fruchtbarkeit steht, kündigt mit seiner Bemerkung „Da muss ich fischen gehen“ seine Beteiligung an den kommenden Festlichkeiten an, während der Abend die Szene mit seiner friedlichen Ruhe umhüllt. Die Beschreibung des Abends „wie im Traum“ deutet auf eine idyllische und harmonische Stimmung hin, die das Glück des Brautpaares widerspiegelt und die Natur als Zeugin und Teil dieser Freude darstellt.
Die dritte Strophe markiert einen Bruch, indem sie von der allgemeinen Freude in die persönliche Sehnsucht des lyrischen Ichs übergeht. Die Wiederholung des „wie im Traume“ aus der vorherigen Strophe verbindet die Naturbetrachtung mit der subjektiven Erfahrung des Sprechers. Der Blick auf das Haus der Geliebten, während die Wolken die Sterne verdecken, zeugt von einer tiefen Sehnsucht und der gleichzeitigen Distanz zur Hochzeitsgesellschaft. Das „Auslöschen der Sterne“ könnte als Symbol für die Vergänglichkeit des Glücks oder die Unerreichbarkeit der eigenen Sehnsucht gedeutet werden, wodurch das Gedicht eine melancholische Note erhält, die im Kontrast zur anfänglichen Fröhlichkeit steht.
Insgesamt ist das Gedicht ein feines Zusammenspiel von Naturbeobachtung und persönlicher Reflexion. Eichendorff verwendet die lebendigen Bilder der Natur, um die Freude über die Hochzeit zu vermitteln, während er gleichzeitig die Sehnsucht und das Gefühl der Trennung des lyrischen Ichs durch die Veränderung des Blickwinkels einführt. Die Verschmelzung von äußerer Naturbeobachtung und innerem Erleben macht das Gedicht zu einem Ausdruck romantischer Sensibilität, der sowohl die Schönheit des Glücks als auch die Melancholie der Sehnsucht einfängt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.