Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , ,

Mariä Sehnsucht

Von

Es ging Maria in den Morgen hinein,
Tat die Erd einen lichten Liebesschein,
Und über die fröhlichen, grünen Höhn
Sah sie den bläulichen Himmel stehn.
»Ach, hätt ich ein Brautkleid von Himmelsschein,
Zwei goldene Flüglein – wie flög ich hinein!« –

Es ging Maria in stiller Nacht,
Die Erde schlief, der Himmel wacht′,
Und durchs Herze, wie sie ging und sann und dacht,
Zogen die Sterne mit goldener Pracht.
»Ach, hätt ich das Brautkleid von Himmelsschein,
Und goldene Sterne gewoben drein!«

Es ging Maria im Garten allein,
Da sangen so lockend bunt Vögelein,
Und Rosen sah sie im Grünen stehn,
Viel rote und weiße so wunderschön.
»Ach hätt ich ein Knäblein, so weiß und rot,
Wie wollt ichs lieb haben bis in den Tod!«

Nun ist wohl das Brautkleid gewoben gar,
Und goldene Sterne im dunkelen Haar,
Und im Arme die Jungfrau das Knäblein hält,
Hoch über der dunkelerbrausenden Welt,
Und vom Kindlein gehet ein Glänzen aus,
Das ruft uns nur ewig: nach Haus, nach Haus!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mariä Sehnsucht von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mariä Sehnsucht“ von Joseph von Eichendorff zeichnet ein bewegendes Bild der Sehnsucht Marias, die in verschiedenen Stadien ihres Lebens und in unterschiedlichen Umgebungen zum Ausdruck kommt. Das Gedicht entfaltet sich in drei Strophen, die jeweils Marias Wunsch nach etwas Unerreichbarem beleuchten, bevor es in der vierten Strophe die Erfüllung dieser Sehnsüchte durch die Geburt Jesu und die anschließende Erlösung feiert. Es ist ein Gedicht, das von der tiefen menschlichen Sehnsucht nach Erfüllung und dem Glauben an die Möglichkeit der Erlösung handelt.

In den ersten drei Strophen drückt Maria ihre Sehnsüchte in konkreten Bildern aus. Zuerst wünscht sie sich ein „Brautkleid von Himmelsschein“ und „goldene Flüglein“, um in den Himmel zu gelangen. Diese Zeilen spiegeln eine Sehnsucht nach dem Göttlichen und nach einer Verbindung mit dem Überirdischen wider, was durch die Metapher des Himmels dargestellt wird. In der zweiten Strophe wird die Sehnsucht verstärkt durch den Wunsch nach Sternen, die in ihr Brautkleid gewoben sind, ein Bild, das die Vereinigung von Menschlichem und Göttlichem unterstreicht. Die letzte Strophe enthüllt Marias tiefste Sehnsucht: ein „Knäblein, so weiß und rot“, das sie bis in den Tod lieb haben möchte. Diese Sehnsucht nach Mutterschaft und nach dem vollkommenen Glück der Liebe wird hier besonders deutlich.

Die vierte Strophe bildet den Höhepunkt des Gedichts und die Erfüllung von Marias Sehnsüchten. Hier wird das „Brautkleid gewoben gar“ durch das Haar Marias, das von goldenen Sternen geschmückt ist, symbolisiert. Maria hält das „Knäblein“ in ihren Armen, was die Erfüllung ihres Kinderwunsches darstellt. Die Geburt Jesu wird als der Inbegriff der Erfüllung aller Sehnsüchte dargestellt, ein Moment des Trostes und der Hoffnung inmitten der Welt. Durch das strahlende Kind geht ein „Glänzen aus“, das die Menschen nach Hause ruft – ein Hinweis auf die Erlösung und die spirituelle Heimkehr.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von sanften, bildreichen Versen, die die Stimmungen und Sehnsüchte Marias einfühlsam wiedergeben. Eichendorff nutzt eine einfache, melodische Sprache, die durch die wiederkehrenden Reimschemata eine harmonische Atmosphäre schafft. Die Naturbilder, wie der Morgen, die Nacht, der Garten und die Vögel, dienen als Kulisse für Marias Gedanken und verstärken die emotionale Tiefe des Gedichts. Die Verwendung von Adjektiven wie „licht“, „goldene“, „bunt“ und „wunderschön“ unterstreicht die Schönheit und den Reiz der beschriebenen Szenen und trägt zur suggestiven Kraft des Gedichts bei.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Mariä Sehnsucht“ ein tiefgründiges Gedicht über die menschliche Sehnsucht nach Erfüllung, Liebe und Erlösung ist. Eichendorffs Werk veranschaulicht die Sehnsucht Marias als ein Symbol für die universelle Sehnsucht nach dem Göttlichen und nach dem Glück. Durch die Darstellung der Erfüllung dieser Sehnsüchte in der Geburt Jesu vermittelt das Gedicht Hoffnung und Trost, während es gleichzeitig die Schönheit des Glaubens und die Bedeutung der Liebe hervorhebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.