Jugendsehnen
Du blauer Strom, an dessen duftgem Strande
Ich Licht und Lenz zum erstenmale schaute,
In frommer Sehnsucht mir mein Schifflein baute,
Wann Segel unten kamen und verschwanden.
Von fernen Bergen überm weiten Lande
Brachtst du mir Gruß und fremde hohe Laute,
Daß ich den Frühlingslüften mich vertraute,
Vom Ufer lösend hoffnungsreich die Bande.
Noch wußt ich nicht, wohin und was ich meine,
Doch Morgenrot sah ich unendlich quellen,
Das Herz voll Freiheit, Kraft der Treue, Tugend;
Als ob des Lebens Glanz für mich nur scheine,
Fühlt ich zu fernem Ziel die Segel schwellen,
All Wimpel rauschten da in ewger Jugend!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Jugendsehnen“ von Joseph von Eichendorff ist eine lyrische Reflexion über die jugendliche Aufbruchsstimmung und die damit verbundenen Hoffnungen und Sehnsüchte. Es beschreibt den Moment des Abschieds vom Bekannten und die Erwartung eines neuen, aufregenden Lebens, das von Freiheit, Kraft und Tugend geprägt ist. Der Autor nutzt eine bildreiche Sprache, um die Gefühlswelt des jungen Menschen einzufangen, der sich voller Optimismus auf den Weg in die Zukunft macht.
Das Gedicht beginnt mit einer Anrede an den „blauen Strom“, der als Metapher für die Kindheit oder die vertraute Umgebung steht. An diesem Strom hat der Sprecher seine ersten Erfahrungen mit Licht und Frühling gemacht, was die Unbeschwertheit und das Glück der Kindheit symbolisiert. Die Erinnerung an das Bauen eines „Schiffleins“ und das Beobachten, wie die „Segel unten kamen und verschwanden“ deutet auf den Wunsch nach Abenteuer und der Aufbruch in eine unbekannte Zukunft hin. Dieser erste Teil des Gedichts etabliert die Sehnsucht nach Neuem und die gleichzeitige Verbundenheit mit der Vergangenheit.
Im zweiten Teil des Gedichts, ab der fünften Zeile, wendet sich der Blick nach außen. Der „Strom“ bringt nun Grüße von „fernen Bergen“ und „fremde hohe Laute“, die das Interesse an der Welt außerhalb der eigenen Erfahrung wecken. Die Zeile „Daß ich den Frühlingslüften mich vertraute, / Vom Ufer lösend hoffnungsreich die Bande“ unterstreicht den Mut, die Sicherheit der Kindheit zu verlassen und sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Das Vertrauen in die „Frühlingslüfte“ steht für die jugendliche Unbekümmertheit und den Glauben an die eigene Stärke.
Das abschließende Sextett beschreibt die innere Verfassung des jungen Menschen. Obwohl die Richtung und das Ziel noch unklar sind, ist das Herz „voll Freiheit, Kraft der Treue, Tugend“. Der „Morgenrot“ symbolisiert die unbegrenzten Möglichkeiten und die positive Erwartung an die Zukunft. Der Sprecher empfindet die Gewissheit, dass das Leben für ihn von Glanz erfüllt sein wird. Die „Segel“ schwellen zum „fernen Ziel“, und die „Wimpel rauschten da in ewger Jugend!“. Diese letzten Zeilen unterstreichen die unerschütterliche Hoffnung und den Glauben an die eigene Zukunft, die typisch für die Jugendzeit ist. Das Gedicht ist somit eine Ode an die Jugend, an ihre Träume und ihren unerschütterlichen Optimismus.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.