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Jugendandacht

Von

1

Was wollen mir vertraun die blauen Weiten,
Des Landes Glanz, die Wirrung süßer Lieder,
Mir ist so wohl, so bang! Seid ihr es wieder
Der frommen Kindheit stille Blumenzeiten?

Wohl weiß ichs – dieser Farben heimlich Spreiten
Deckt einer Jungfrau strahlend reine Glieder;
Es wogt der große Schleier auf und nieder,
Sie schlummert drunten fort seit Ewigkeiten.

Mir ist in solchen linden, blauen Tagen,
Als müßten alle Farben auferstehen,
Aus blauer Fern sie endlich zu mir gehen.

So wart ich still, schau in den Frühling milde,
Das ganze Herz weint nach dem süßen Bilde,
Vor Freud, vor Schmerz? – Ich weiß es nicht zu sagen.

2

Wenn du am Felsenhange standst alleine,
Unten im Walde Vögel seltsam sangen
Und Hörner aus der Ferne irrend klangen,
Als ob die Heimat drüben nach dir weine,

Wars niemals da, als rief die Eine, Deine?
Lockt′ dich kein Weh, kein brünstiges Verlangen
Nach andrer Zeit, die lange schon vergangen,
Auf ewig einzugehn in grüne Scheine?

Gebirge dunkelblau steigt aus der Ferne,
Und von den Gipfeln führt des Bundes Bogen
Als Brücke weit in unbekannte Lande.

Geheimnisvoll gehn oben goldne Sterne,
Unten erbraust viel Land in dunklen Wogen –
Was zögerst du am unbekannten Rande?

3

Durchs Leben schleichen feindlich fremde Stunden,
Wo Ängsten aus der Brust hinunterlauschen,
Verworrne Worte mit dem Abgrund tauschen,
Drin bodenlose Nacht nur ward erfunden.

Wohl ist des Dichters Seele stumm verbunden
Mit Mächten, die am Volk vorüberrauschen;
Sehnsucht muß wachsen an der Tiefe Rauschen
Nach hellerm Licht und nach des Himmels Kunden.

O Herr! du kennst allein den treuen Willen,
Befrei ihn von der Kerkerluft des Bösen,
Laß nicht die eigne Brust mich feig zerschlagen!

Und wie ich schreibe hier, den Schmerz zu stillen,
Fühl ich den Engel schon die Riegel lösen,
Und kann vor Glanze nicht mehr weiter klagen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Jugendandacht von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Jugendandacht“ von Joseph von Eichendorff ist eine Reflexion über die Sehnsucht nach der Vergangenheit, die Suche nach dem Göttlichen und die Auseinandersetzung mit dem Leben in all seinen Facetten. Das Gedicht ist in drei Strophen unterteilt, die jeweils eine eigene Atmosphäre und Thematik aufgreifen. Die erste Strophe ist geprägt von einer Sehnsucht nach der Kindheit und einer tiefen emotionalen Unruhe, die sich in der Schönheit der Natur spiegelt.

Die zweite Strophe vertieft die Auseinandersetzung mit der Sehnsucht, indem sie die Einsamkeit und die Frage nach der Vergangenheit thematisiert. Hier wird die Natur als ein Ort der Erinnerung und der Sehnsucht dargestellt. Die Anspielung auf eine „Eine, Deine“ deutet auf die Sehnsucht nach einer geliebten Person oder nach einer idealisierten Vergangenheit hin. Das Bild des „Bundes Bogen“ und der „Brücke weit in unbekannte Lande“ symbolisiert den Übergang zu einer neuen, unbekannten Welt und die Suche nach dem Sinn des Lebens.

Die dritte Strophe wendet sich direkt dem religiösen Aspekt zu, indem sie die Erfahrung der Dunkelheit und des Schmerzes mit dem Wunsch nach Erlösung und Trost verbindet. Die „feindlich fremde Stunden“ und die „Kerkerluft des Bösen“ repräsentieren die negativen Aspekte des Lebens, während die Bitte an Gott um Befreiung und Trost die Sehnsucht nach einem höheren Sinn und nach dem Göttlichen widerspiegelt. Die „Engel“ und der „Glanz“ am Ende der Strophe deuten auf die Hoffnung auf Erlösung und die Überwindung des Schmerzes hin.

Eichendorff verwendet in seinem Gedicht eine bildreiche Sprache, die reich an Naturmetaphern und romantischen Bildern ist. Die „blauen Weiten“, „Farben“, „Vögel“, „Gebirge“ und „Sterne“ erzeugen eine Atmosphäre der Sehnsucht und der Romantik. Der Wechsel von der Natur- und Liebessehnsucht zur religiösen Sehnsucht deutet auf eine tiefe innere Zerrissenheit und die Suche nach der Ganzheit des menschlichen Erlebens hin. Das Gedicht spiegelt die Suche nach dem Sinn des Lebens wider, die in der Romantik eine zentrale Rolle spielte.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.