Das zerbrochene Ringlein
In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Meine Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnet hat.
Sie hat mir Treu versprochen,
Gab mir ein′n Ring dabei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht als Spielmann reisen
Weit in die Welt hinaus,
Und singen meine Weisen,
Und gehn von Haus zu Haus.
Ich möcht als Reiter fliegen
Wohl in die blutge Schlacht,
Um stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ich will –
Ich möcht am liebsten sterben,
Da wärs auf einmal still!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ von Joseph von Eichendorff ist eine melancholische Klage über den Verlust der Liebe und die damit einhergehende innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs. Es beginnt mit einer idyllischen Szene – „In einem kühlen Grunde / Da geht ein Mühlenrad“ –, die jedoch sofort durch die Nachricht der verlorenen Liebe konterkariert wird: „Meine Liebste ist verschwunden, / Die dort gewohnet hat.“ Dieser Kontrast zwischen der äußeren Harmonie der Natur und dem inneren Schmerz des Sprechers erzeugt eine tiefgreifende Traurigkeit.
Der zerbrochene Ring, der im zweiten Strophenabschnitt erwähnt wird, ist das zentrale Symbol für den Vertrauensbruch und den Verlust der Beziehung. Er repräsentiert das Versprechen der Treue, das nun in Scherben liegt. Die Folge ist die tiefe Verzweiflung, die im lyrischen Ich geweckt wird. Die folgenden Strophen zeigen die Suche nach einem Ausweg aus diesem Leid. Es erwägt sowohl die Flucht in die Welt als fahrender Spielmann als auch in den heldenhaften Tod als Reiter im Krieg. Beide Optionen scheitern jedoch.
Die Ambivalenz des lyrischen Ichs spiegelt sich in den letzten beiden Strophen wider. Es wird hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Aktivität, nach einem neuen Lebensinhalt, und dem Wunsch nach Ruhe und Erlösung durch den Tod. Das Geräusch des Mühlrads, das zu Beginn als idyllisch wahrgenommen wurde, wird nun zum Auslöser der Verzweiflung: „Hör ich das Mühlrad gehen: / Ich weiß nicht, was ich will -“. Dieser Vers veranschaulicht die innere Leere und Orientierungslosigkeit nach dem Verlust der geliebten Person.
Die abschließende Zeile „Ich möcht am liebsten sterben, / Da wärs auf einmal still!“ offenbart den einzigen Ausweg, der dem lyrischen Ich noch erscheint: der Tod als endgültige Ruhe. Damit ist das Gedicht ein eindringliches Beispiel für die Romantik, die sich in der Sehnsucht nach Erlösung und dem Empfinden von tiefer Trauer äußert. Es ist ein Lied von Schmerz, Verlust und der vergeblichen Suche nach Trost in einer Welt, die die Verzweiflung nicht lindern kann.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.