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Unbeständigkeit

Von

Im spielenden Bache da lieg ich, wie helle!
Verbreite die Arme der kommenden Welle,
Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust.
Dann trägt sie ihr Leichtsinn im Strome darnieder;
Schon naht sich die zweite und streichelt mich wieder,
Da fühl ich die Freuden der wechselnden Lust.

O Jüngling, sei weise, verwein nicht vergebens
Die fröhlichsten Stunden des traurigen Lebens,
Wenn flatterhaft je dich ein Mädchen vergißt.
Geh, ruf sie zurücke, die vorigen Zeiten!
Es küßt sich so süße der Busen der zweiten,
Als kaum sich der Busen der ersten geküßt.

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Gedicht: Unbeständigkeit von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Unbeständigkeit“ von Johann Wolfgang von Goethe thematisiert die Vergänglichkeit und den Wechsel in der Liebe, indem es die Natur als Metapher für menschliche Gefühle und Erfahrungen nutzt. Die erste Strophe beschreibt ein idyllisches Bild, in dem der Sprecher sich dem „spielenden Bache“ hingibt. Hier wird eine sinnliche Erfahrung evoziert: Die „helle“ Natur und die „kommende Welle“, die den Sprecher umspült und „buhlerisch“ seine „sehnende Brust“ drückt. Der Fokus liegt auf der Freude am Augenblick und der Hingabe an das Werden und Vergehen der Natur. Die anschließende „zweite“ Welle deutet bereits auf die ständige Veränderung und die Kürze des Glücks hin.

In der zweiten Strophe wendet sich der Dichter direkt an einen „Jüngling“ und zieht eine Parallele zwischen der Natur und den romantischen Beziehungen. Die Unbeständigkeit in der Natur spiegelt sich in der wechselhaften Natur der Liebe wider. Die Warnung, nicht „vergebens“ um verlorene Lieben zu weinen, deutet auf eine Akzeptanz des Wandels hin. Statt in Trauer zu verharren, ermutigt Goethe, sich neuen Erfahrungen zu öffnen. Die Metapher, dass die „zweite“ Liebste genauso reizvoll ist wie die „erste“, suggeriert, dass das Glück in der ständigen Erneuerung und in der Fähigkeit zu lieben liegt, ungeachtet der vergangenen Erfahrungen.

Die Verwendung des Bachs und der Wellen als Metaphern ist dabei zentral. Das fließende Wasser symbolisiert die Bewegung und den Wandel, dem alles unterliegt. Das ständige Wechselspiel der Wellen, die kommen und gehen, steht für die rasche Abfolge von Erfahrungen, Freuden und Enttäuschungen. Diese Naturbilder erden die abstrakte Thematik der Liebe und verleihen ihr eine sinnliche und lebendige Qualität. Goethe nutzt die Natur, um die menschlichen Emotionen nachvollziehbar zu machen und einen Weg zur Akzeptanz der Unbeständigkeit zu finden.

Der Aufbau des Gedichts ist ebenfalls bemerkenswert. Die erste Strophe, die die Natur beschreibt, schafft eine harmonische und sinnliche Atmosphäre. Die zweite Strophe, die sich direkt an den „Jüngling“ wendet, bringt eine moralische und lehrhafte Ebene hinzu. Der Übergang von der Beschreibung des Baches zur direkten Ansprache des Lesers verdeutlicht die Verbindung zwischen der Natur und dem menschlichen Leben. Der Kontrast zwischen der Leichtigkeit und dem Spiel der ersten Strophe und der ernsteren Reflexion in der zweiten unterstreicht die Vielschichtigkeit des Themas und die Weisheit, die aus der Erfahrung der Unbeständigkeit gewonnen werden kann.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.