Gewiß, ich wäre schon so ferne, ferne,
So weit die Welt nur offen liegt, gegangen,
Bezwängen mich nicht übermächt′ge Sterne,
Die mein Geschick an deines angehangen,
Daß ich in dir nun erst mich kennenlerne.
Mein Dichten, Trachten, Hoffen und Verlangen
Allein nach dir und deinem Wesen drängt,
Mein Leben nur an deinem Leben hängt.
Strophe
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Strophe“ von Johann Wolfgang von Goethe ist eine tiefgründige Liebeserklärung und eine Reflexion über die unauflösliche Verbindung zweier Seelen. Die Strophenform, die den Titel des Gedichts bildet, deutet bereits auf eine strukturierte und durchdachte Aussage hin, die auf der Verbindung von Versen und Gedanken beruht. Es ist ein Bekenntnis zur Hingabe und zur Erkenntnis des eigenen Selbst durch die Liebe.
Goethe beginnt mit dem Ausdruck des Wunsches nach Ferne, nach dem Aufbruch in die weite Welt („Gewiß, ich wäre schon so ferne, ferne, / So weit die Welt nur offen liegt, gegangen“). Dieser Wunsch wird jedoch durch „übermächt’ge Sterne“ und die unentrinnbare Verknüpfung mit der geliebten Person zunichte gemacht. Die Metapher der Sterne deutet auf eine höhere Macht, auf das Schicksal hin, das die beiden Liebenden miteinander verbindet. Das Ich-Erzähler gesteht, dass es durch die Verbindung mit dem „Du“ erst sich selbst entdeckt hat („Daß ich in dir nun erst mich kennenlerne“). Dies unterstreicht die transformative Kraft der Liebe, durch die das eigene Selbstbild geformt und verfeinert wird.
Der Mittelteil des Gedichts, der aus der zweiten Hälfte der Strophe besteht, offenbart die totale Hingabe des Sprechers. Alles, was ihn ausmacht – „Dichten, Trachten, Hoffen und Verlangen“ – ist auf die geliebte Person ausgerichtet. Die Wiederholung des Personalpronomens „dein“ verstärkt die Exklusivität dieser Hingabe. Das Leben des Sprechers ist vollständig von der Existenz der geliebten Person abhängig („Mein Leben nur an deinem Leben hängt“). Hier manifestiert sich die Intensität der Liebe, die nicht nur das Denken und Fühlen, sondern auch die gesamte Existenz des Sprechers umfasst.
Goethes „Strophe“ ist somit ein ergreifendes Gedicht über die bedingungslose Liebe und die Selbstfindung durch die Verbindung mit einem anderen Menschen. Es verdeutlicht die Überwindung des Ich-Wunsches nach Freiheit und Unabhängigkeit zugunsten der tieferen, komplexeren Erfahrung der Liebe, die zur Erkenntnis des eigenen Selbst führt. Die geschickte Verwendung von Metaphern und die klare, präzise Sprache erzeugen ein Bild von tiefer emotionaler Verbundenheit und der existenziellen Bedeutung der Liebe im Leben des Sprechers. Das Gedicht feiert die Einheit zweier Seelen, die im Zeichen des Schicksals untrennbar verbunden sind.
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