Weint, Mädchen, hier bei Amors Grabe! hier
Sank er von nichts, von Ungefähr danieder.
Doch ist er wirklich tot? Ich schwöre nicht dafür:
Ein Nichts, ein Ungefähr erweckt ihn öfters wieder.
Scheintod
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Scheintod“ von Johann Wolfgang von Goethe behandelt das Thema der Liebe und ihres scheinbaren Todes, der jedoch jederzeit wiederbelebt werden kann. Es ist ein kurzes, prägnantes Gedicht, das in zwei Versen die ambivalente Natur der Liebe einfängt. Die erste Zeile etabliert die Szenerie eines Grabes, wo Amor, der Gott der Liebe, gestorben zu sein scheint. Die Aufforderung an die Mädchen, an diesem Ort zu weinen, suggeriert Trauer und Verlust. Der Zusatz „hier“ verstärkt die unmittelbare Präsenz des Verlustes. Die Ursache für Amors Tod wird auf „nichts, von Ungefähr“ zurückgeführt, was die Flüchtigkeit und Unvorhersehbarkeit der Liebe andeutet.
Der zweite Teil des Gedichts widerspricht der vorherigen Aussage und stellt die Gewissheit über Amors Tod in Frage. Die rhetorische Frage „Doch ist er wirklich tot?“ deutet an, dass der vermeintliche Tod Amors nicht endgültig ist. Der Vers „Ein Nichts, ein Ungefähr erweckt ihn öfters wieder“ legt nahe, dass die Liebe, selbst wenn sie scheinbar erloschen ist, durch scheinbar geringfügige Umstände, wie das „Nichts“ oder das „Ungefähr“, wieder aufleben kann. Dieser Widerspruch zwischen Schein und Sein ist ein zentrales Element des Gedichts und betont die Unberechenbarkeit und die zyklische Natur der Liebe.
Goethes Verwendung von einfachen, klaren Worten und einem AABB-Reimschema trägt zur Verständlichkeit und zum einprägsamen Charakter des Gedichts bei. Die Kürze des Gedichts unterstützt die Intensität der Aussage. Die Wahl von „Nichts“ und „Ungefähr“ als Ursache der Wiederbelebung unterstreicht die Fähigkeit der Liebe, aus dem Unscheinbaren heraus erneut zu entstehen. Diese subtile Ironie und die Andeutung der Hoffnung machen das Gedicht zu einer tiefgründigen Betrachtung über die Natur der Liebe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht die dualistische Natur der Liebe widerspiegelt: Sie kann scheinbar sterben, doch ihre Wiedergeburt ist jederzeit möglich. Die scheinbare Leere des „Nichts“ und des „Ungefähr“ wird hier als Katalysator für die Wiedererweckung der Liebe interpretiert, wodurch das Gedicht eine Botschaft der Hoffnung und der anhaltenden Kraft der Liebe vermittelt. Es ist ein poetischer Ausdruck der Erfahrung, dass Liebe nicht endgültig verloren gehen kann, sondern in unerwarteten Momenten neu erwachen kann.
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Lizenz und Verwendung
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