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Die Liebende schreibt

Von

Ein Blick von deinen Augen in die meinen,
Ein Kuß von deinem Mund auf meinem Munde,
Wer davon hat, wie ich, gewisse Kunde,
Mag dem was anders wohl erfreulich scheinen?

Entfernt von dir, entfremdet von den Meinen,
Führ ich stets die Gedanken in die Runde,
Und immer treffen sie auf jene Stunde,
Die einzige; da fang ich an zu weinen.

Die Träne trocknet wieder unversehens:
Er liebt ja, denk ich, her in diese Stille,
Und solltest du nicht in die Ferne reichen?

Vernimm das Lispeln dieses Liebewehens;
Mein einzig Glück auf Erden ist dein Wille,
Dein freundlicher zu mir; gib mir ein Zeichen!

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Gedicht: Die Liebende schreibt von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Liebende schreibt“ von Johann Wolfgang von Goethe offenbart die tiefen Gefühle einer Frau, die nach der Zuwendung ihres Geliebten verlangt. Die ersten vier Verse beschreiben die Intensität der Freude und des Glücks, das sie durch die körperliche Nähe des Geliebten erfährt: ein einziger Blick, ein Kuss, sind für sie von unschätzbarem Wert. Sie scheinen die Essenz ihres Lebens zu sein, das Einzige, was wahre Freude bereiten kann. Die Verwendung von „gewisse Kunde“ deutet auf eine intime Erfahrung hin, die sie von anderen unterscheidet, die diese Erfüllung nicht kennen.

In den folgenden vier Versen schlägt die Stimmung um. Die Trennung von ihrem Geliebten und die Isolation von ihren Angehörigen führen zu einem Gefühl der Entfremdung und Sehnsucht. Ihre Gedanken kreisen unaufhörlich um den Moment der Vereinigung, der sie mit Glück erfüllt hat, und dieses Kreisen führt sie unweigerlich zu Tränen. Der Gedanke an die Trennung und die damit verbundene Einsamkeit dominieren ihr emotionales Erleben. Hier wird die Tiefe ihrer Abhängigkeit von der Liebe und dem Geliebten deutlich, ihr Glück ist an seine Anwesenheit gebunden.

Die letzten vier Verse zeigen einen Wechsel von Trauer zu Hoffnung. Die Tränen trocknen, und die Liebe selbst wird zum Trost. Sie versichert sich ihrer Liebe und denkt, dass er sie ebenfalls liebt, wodurch eine gewisse Ruhe und Zuversicht in die Stille einkehrt. Die Frage „Und solltest du nicht in die Ferne reichen?“ deutet auf eine mögliche Entfernung des Geliebten hin, die jedoch durch das Vertrauen in seine Liebe und ihren Wunsch nach einem Zeichen seiner Zuneigung abgefedert wird.

Das Gedicht ist von einer schlichten, direkten Sprache geprägt, die die Echtheit der Emotionen der Liebenden unterstreicht. Goethes Verwendung von einfachen Worten und einer klaren Struktur verstärkt die emotionale Wirkung und macht das Gedicht für den Leser leicht nachvollziehbar. Das zentrale Thema ist die bedingungslose Hingabe der Liebenden und das daraus resultierende Glück, das durch die Anwesenheit des Geliebten entsteht, sowie die Sehnsucht und das Leid, die durch dessen Abwesenheit ausgelöst werden. Das Gedicht ist eine Ode an die Liebe, die sowohl die Freude als auch die Schmerzen des Verliebtseins umfasst.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.