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Die Mutter am Christabend

Von

Er schlost, er schlost! Do lit er, wie ne Grof!
Du lieben Engel, was i bitt,
By Lib und Leb verwach mer nit,
Gott gunnt’s mi’m Chind im Schlof!

Verwach mer nit, verwach mer nit!
Di Muetter goht mit stillem Tritt,
Sie goht mit zartem Muttersinn,
Und holt’e Baum im Chämmerli d’inn.

Was henki der denn dra?
Ne schöne Lebkueche-Ma,
Ne Gitzeli, ne Mummerli
Ud Blüemli wüß und rot und gel,
Vom allerfinste Zuckermehl.

`s isch gnueg, du Muetterherz!
Viel Süeß macht numme Schmerz.
Gib’s sparsam, wie der liebi Gott,
Nit all Tag helfet er Zuckerbrod.

Jez Rümmechrüsliger her,
Die allerschönste, woni ha,
`s isch nummen au kei Möseli dra.
Wer het sie schöner, wer?

`s isch wohr, es isch e Pracht,
Was so en Aepfel lacht;
Und isch der Zuckerbeck’e Ma,
Se mach er so ein, wenn er cha!
Der lieb Gott het en gmacht.

Was hani echt no meh?
Ne Fazenitli wüß und rot,
Und das eis vo de schöne.
O Chind, vor bitt’re Träne
Biwahr die Gott, biwahr die Gott!

Und was isch ne do inn?
Nee Büechli, Chind, `s isch au no di.
I leg der schöni Helgeli dri,
Und schöni Gibetli sin selber drinn.

Jez chönnti, traui goh;
Es fehlt nüt meh zum Guete –
Post tunsig, no ne Ruethe!
Do isch sie scho, do isch sie scho!

`s cha sy, sie freut di nit,
`s cha sy, sie haut der’s Büberli wund;
Doch witt nit anderst, sen isch’s der gsund;
`s muss nit sy, wenn d’ nit witt.

Und willsch’s nit anderst ha,
In Gottis Name seig es drum!
Doch Muetterlieb isch zart und frumm,
Sie windet roti Bendeli dri,
Und macht e Betschli dra.

Jez wär er usstaffiert,
Und wie ne Maibaum ziert,
Und wenn bis früeih der Tag verwacht,
Het’s Wiehnechtchindli alles gemacht.

De nimmsch’s und danksch mer’s nit;
Drum weisch nit, wer der’s git.
Doch macht’s der numme ne frohe Mueth,
Und schmeckt’s der numme, fen isch’s scho gut.

Bym Bluest, der Wächter rüest.
Scho Oelfi! Wie doch d’ Zeit verrinnt,
Und wie me sie vertieft,
Wenn’s Herz a näumnis Nahrig sindt!

Jez bhüt di Gott der Her!
En anderi Cheri mehr!
Der heilig Christ ist hinecht cho,
Het Chindes Fleisch und Blut a g’no;
Wärsch au so brav, wie er!

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Gedicht: Die Mutter am Christabend von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Mutter am Christabend“ von Johann Peter Hebel ist ein berührendes Porträt mütterlicher Liebe und Hingabe, das in schwäbischer Mundart verfasst wurde. Es beschreibt die Vorbereitungen einer Mutter für ihren schlafenden Sohn am Weihnachtsabend. Die Mutter schmückt heimlich den Christbaum, wobei sie jeden einzelnen Schmuckgegenstand sorgfältig auswählt und mit liebevollen Worten beschreibt.

Das Gedicht offenbart eine tiefe Wertschätzung für die kleinen Freuden des Lebens. Die Mutter wählt Lebkuchenmänner, Glitzerzeug, Blumen und Äpfel aus, allesamt Symbole für Freude und Genuss. Gleichzeitig warnt sie vor übermäßigem Konsum und erinnert an die Bescheidenheit, die der liebe Gott lehrt. Auch die Rute am Baum, als Symbol der erzieherischen Strenge, findet ihren Platz, wird aber durch die Mutterliebe gemildert, die rote Bänder um die Rute bindet.

Das zentrale Thema des Gedichts ist die unendliche Liebe einer Mutter. Sie arbeitet im Geheimen, um ihrem Kind eine Freude zu bereiten, und akzeptiert sogar, dass das Kind ihren Aufwand möglicherweise nicht erkennt oder wertschätzt. Ihr größtes Glück ist die Freude des Kindes, und sie hofft, dass es das Geschenk genießt und die Freude des Weihnachtsfestes erfährt. Die Mutterliebe ist allumfassend und kennt keine Bedingungen.

Das Gedicht ist eingebettet in eine religiöse Atmosphäre. Die Mutter spricht von Gott und dem heiligen Christ, und im letzten Vers wird die Geburt Christi als Vorbild für kindliche Tugend erwähnt. Die Zeit vergeht schnell, wie der Wächter mit seinem Blasen zur Nachtruhe und der Schlag der Elf Uhr zeigen. Dadurch wird die Flüchtigkeit des Lebens betont und die Bedeutung der Momente des Glücks hervorgehoben. Die Zeile „Het Chindes Fleisch und Blut a g’no; Wärsch au so brav, wie er!“ verbindet die irdische mütterliche Liebe mit der göttlichen Liebe, die sich in der Menschwerdung Christi manifestiert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.