Katze vor Anker
Schlafen die Bewohner
Von dem Gaffelschoner
Im Kajüt am Heck? –
Weil das Boot vor Anker liegt,
Hockt die Katze mißvergnügt
Oben auf dem Deck.
Sieht sie Mäuse, Ratten? –
Doch der Wind hat sich gelegt.
Was sich einzig noch bewegt,
ist ihr eigner Schatten.
Vor ihr liegt ein dickes Tau,
Rund geschlängelt wie ein Kranz,
Viel viel länger als ihr Schwanz.
Ach, miau – miau.
Keine Ratte, keine Maus,
Keine Gasse und kein Haus,
Nichts, was mitmiaute.
Und die arme Katerbraut
Äußert ihren Kummer laut
Dort im Strom bei Flaute.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Katze vor Anker“ von Joachim Ringelnatz beschreibt auf humorvolle und einfühlsame Weise die Langeweile und Unzufriedenheit einer Katze auf einem vor Anker liegenden Schiff. Der Autor verwendet eine einfache, kindlich anmutende Sprache, die dem Gedicht einen spielerischen Charakter verleiht und die kindliche Perspektive der Katze widerspiegelt. Die Reime und der Rhythmus erzeugen eine eingängige Melodie, die die Monotonie des Themas durchbricht und gleichzeitig die Sehnsucht nach Abwechslung des Tieres betont.
Die Katze, die im Gedicht zur „Katerbraut“ stilisiert wird, befindet sich in einer für sie ungewohnten Umgebung. Das Schiff ist vor Anker, die Bewohner schlafen, und die Katze wird von der Enge des Decks und der fehlenden Beute frustriert. Die Fragen am Anfang deuten auf die Erwartung von Jagdgelegenheiten hin, die jedoch enttäuscht werden. Die Beschreibung des „eignen Schatten“ verstärkt das Gefühl der Isolation und Monotonie, da die Katze sich nur mit sich selbst beschäftigen kann.
Das dicke Tau, das sich vor der Katze erstreckt, symbolisiert die Begrenzung und die Unbeweglichkeit der Situation. Es ist länger als ihr Schwanz, was die Perspektive der Katze verdeutlicht, die ihre Umgebung aus einer subjektiven, begrenzten Sicht wahrnimmt. Das abschließende „Ach, miau – miau“ und die folgenden Strophen, in denen keine Mäuse oder Ratten zu finden sind, unterstreichen die Verzweiflung und das Gefühl der Einsamkeit, das die Katze empfindet. Der monotone Strom bei Flaute verstärkt das Gefühl der Leere.
Ringelnatz schafft es, durch die einfache Sprache und die humorvolle Darstellung ein tiefgründiges Gefühl von Langeweile und Einsamkeit zu erzeugen, das die Leser an ihre eigenen Erfahrungen mit Monotonie und dem Fehlen von Abwechslung erinnert. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Beobachtung des Verhaltens einer Katze, sondern auch eine menschliche Reflexion über die Suche nach Befriedigung und die Unzufriedenheit mit der eigenen Situation.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.