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Für mich…

Von

Das längst Gewohnte, das alltäglich Gleiche,
Mein Auge adelt mirs zum Zauberreiche:
Es singt der Sturm sein grollend Lied für mich,
Für mich erglüht die Rose, rauscht die Eiche.
Die Sonne spielt auf goldnem Frauenhaar
Für mich – und Mondlicht auf dem stillen Teiche.
Die Seele les ich aus dem stummen Blick,
Und zu mir spricht die Stirn, die schweigend bleiche.
Zum Traume sag ich. »Bleib bei mir, sei wahr!«
Und zu der Wirklichkeit: »Sei Traum, entweiche!«
Das Wort, das Andern Scheidemünze ist,
Mir ists der Bilderquell, der flimmernd reiche.
Was ich erkenne. ist mein Eigentum,
Und lieblich locket, was ich nicht erreiche.
Der Rausch ist süß, den Geistertrank entflammt,
Und süß ist die Erschlaffung auch, die weiche.
So tiefe Welten tun sich oft mir auf,
Daß ich drein glanzgeblendet, zögernd schleiche,
Und einen goldnen Reigen schlingt um mich
Das längst Gewohnte, das alltäglich Gleiche.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Für mich... von Hugo von Hofmannsthal

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Für mich…“ von Hugo von Hofmannsthal zelebriert eine subjektive, von Selbstbezogenheit geprägte Weltanschauung. Der Dichter erhebt das Individuum zum Zentrum des Universums, indem er jegliche äußere Erscheinung, sei es die Natur oder die Emotionen anderer, auf seine eigene Wahrnehmung und seinen persönlichen Bezug bezieht. Bereits die ersten Zeilen, „Das längst Gewohnte, das alltäglich Gleiche, / Mein Auge adelt mirs zum Zauberreiche“, etablieren diesen Anspruch. Die alltäglichen Dinge, die für andere vielleicht banal sind, werden durch die subjektive Wahrnehmung des Dichters in ein „Zauberreich“ verwandelt, was auf eine transformative Kraft des Ichs hindeutet.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird dieser Individualismus durch eine Reihe von Gegenüberstellungen verstärkt. Die Naturphänomene, wie der Sturm, die Rose, die Eiche, die Sonne und das Mondlicht, werden nicht als Objekte an sich wahrgenommen, sondern als Phänomene, die speziell für den Dichter existieren und ihm dienen („Für mich…“). Auch die Interaktion mit anderen Menschen, ausgedrückt durch den „stummen Blick“ und die „schweigend bleiche“ Stirn, wird von ihm personalisiert und in seine eigene Welt integriert. Die Trennung von Traum und Wirklichkeit, wobei der Dichter den Traum umarmen und die Wirklichkeit verdrängen möchte, verdeutlicht seinen Wunsch nach einer Welt, die seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht.

Die Sprache des Gedichts ist reich an Bildern und Metaphern, die die Intensität und das Gefühl des Dichters widerspiegeln. Begriffe wie „Zauberreich“, „goldnes Frauenhaar“, „flimmernd reiche“, „Geistertrank“, und „glanzgeblendet“ erzeugen eine Atmosphäre von Mystik und Überschwang. Hofmannsthal nutzt diese bildhafte Sprache, um die ergreifende Wirkung der Welt auf sein Individuum hervorzuheben. Das Gedicht suggeriert eine tiefe Sehnsucht nach Schönheit und Erfüllung, sowie eine gleichzeitige Ambivalenz gegenüber der Wirklichkeit.

Die abschließenden Zeilen, in denen sich ein „goldner Reigen“ um den Dichter schlingt, verweisen auf einen Kreislauf, in dem das „längst Gewohnte“ und „alltäglich Gleiche“ durch die subjektive Wahrnehmung des Dichters immer wieder neu erschaffen und zu etwas Besonderem gemacht werden. Das Gedicht ist also eine Hymne auf die Macht der subjektiven Erfahrung und die Fähigkeit des Individuums, seine eigene Realität zu konstruieren und zu gestalten. Es feiert die Welt, wie sie vom Autor interpretiert und für ihn persönlich transformiert wird.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.