Fürchterlich ist diese Kunst! Ich spinn aus dem Leib mir den Faden,
 Und dieser Faden zugleich ist auch mein Weg durch die Luft.
Dichtkunst
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Dichtkunst“ von Hugo von Hofmannsthal ist eine kurze, aber intensive Reflexion über die Natur des Dichtens und die paradoxe Beziehung des Dichters zu seinem Werk. Es fängt die Zerrissenheit und den existentiellen Kampf des Künstlers ein, der sich selbst als Quelle und Ziel seines Schaffens erfährt.
Der erste Vers etabliert sofort die beängstigende Natur des künstlerischen Prozesses: „Fürchterlich ist diese Kunst!“. Das Adjektiv „fürchterlich“ deutet auf eine tiefe Beklommenheit und Angst, die mit dem Akt des Dichtens verbunden ist. Hofmannsthal beschreibt das Dichten als einen Akt der Selbsterschaffung und Selbstentäußerung. Der Dichter spinnt aus seinem eigenen „Leib“ den „Faden“, der sowohl das Werk als auch den Weg des Dichters durch die Welt darstellt. Der Faden ist die Sprache, die Kunst, das Medium, durch das sich der Dichter ausdrückt. Die Metapher des Fadens erinnert an das Bild der Spinne, die ihr eigenes Netz webt, um sich selbst zu fangen, was die Ambivalenz des kreativen Prozesses betont.
Der zweite Vers, „Und dieser Faden zugleich ist auch mein Weg durch die Luft“, verdeutlicht die doppelte Natur des Fadens. Er ist nicht nur das Produkt des Dichters, sondern auch sein Wegweiser, seine Möglichkeit, sich in der Welt zu bewegen und Sinn zu finden. Der „Weg durch die Luft“ symbolisiert die Freiheit, aber auch die Fragilität und Unsicherheit des Dichterdaseins. Der Dichter ist sowohl Schöpfer als auch Gefangener seines Werkes, gleichzeitig Gebender und Nehmender.
Hofmannsthal verwendet eine einfache, klare Sprache, die jedoch eine enorme Tiefe und Komplexität aufweist. Die Kürze des Gedichts verstärkt seine Intensität. Es reduziert das Dichten auf seine wesentlichen Elemente: Schmerz, Selbstbezug und die Suche nach einer Existenz durch das eigene Werk. Das Gedicht endet ohne eine klare Auflösung oder eine abschließende Botschaft, was die innere Zerrissenheit und die fortwährende Suche des Dichters nach Wahrheit und Ausdruck unterstreicht. Es ist ein eindringliches Bild von dem Dilemma des Künstlers, der sich selbst in sein Werk verstrickt und gleichzeitig durch dieses Werk nach Freiheit und Sinn strebt.
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Lizenz und Verwendung
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