Das Zeichen
Und wie wir uns ersehen,
Tief eins ins andre gehen,
Es bleibt doch nicht bestehen:
So wenig wie ein Kuß.
Es bleibt um Brust und Wangen
Nichts von so viel Verlangen,
Kein Zeichen bleibet hangen
Auch von so vielem Glück.
Und trügest du ein Zeichen,
Ein purpurrotes Zeichen,
Es müßte auch verbleichen,
Es ginge auch dahin!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Zeichen“ von Hugo von Hofmannsthal thematisiert die Vergänglichkeit menschlicher Empfindungen und Erfahrungen, insbesondere der Liebe und des Glücks. Die ersten beiden Strophen betonen das flüchtige Wesen von Erlebnissen. Der Dichter vergleicht menschliche Beziehungen und Gefühle mit einem Kuss, der in dem Moment, in dem er vollzogen ist, bereits wieder vergangen ist. Alles, was mit Verlangen verbunden ist, sowohl körperlich als auch emotional, hinterlässt letztlich keine bleibenden Spuren, wie die leere Brust und Wangen bezeugen. Das Gedicht stellt somit die Frage nach dem Sinn von Erlebnissen, die keine dauerhafte Präsenz haben.
Die zweite Strophe vertieft dieses Thema, indem sie die Unbeständigkeit des Glücks hervorhebt. Selbst wenn man ein Zeichen des Glücks, vielleicht in Form eines purpurroten Zeichens, besitzen würde, würde auch dieses Zeichen irgendwann verblassen und vergehen. Die Farbe Purpur, oft mit königlicher Macht und Fülle assoziiert, wird hier ironisch eingesetzt, um die Vergeblichkeit alles Irdischen zu unterstreichen. Dies deutet auf eine resignierte, aber dennoch poetische Betrachtung des menschlichen Lebens hin, das von ständiger Veränderung und dem Verlust des Erlebten geprägt ist.
Hofmannsthals Sprache ist einfach und klar, was die tragische Botschaft des Gedichts noch eindringlicher macht. Die Wiederholung der Wörter „gehen“ und „bleiben“ im ersten Teil erzeugt einen subtilen Rhythmus und unterstreicht die Dualität von Sein und Vergehen. Der Reim „bestehen – Kuß“ und später „verlangen – hangen“ und „Zeichen – verbleichen“ unterstützt die musikalische Struktur des Gedichts und hebt gleichzeitig die zentrale Idee der Vergänglichkeit hervor. Durch die Verwendung von einfachen, doch wirkungsvollen Bildern und Vergleichen gelingt es Hofmannsthal, die Komplexität des menschlichen Lebens und seine stete Wandlung auf wenigen Zeilen zu verdichten.
Das Gedicht ist von einer tiefen Melancholie getragen, die sich in der Erkenntnis der Unbeständigkeit von allem, was das menschliche Herz bewegt, manifestiert. Es wirft die Frage auf, wie man mit der Vergänglichkeit umgeht. Gibt es etwas, das dem Vergehen widerstehen kann, oder ist das Leben von vornherein zum Scheitern verurteilt? Das Gedicht bietet keine einfachen Antworten, sondern lädt den Leser ein, über die Natur der menschlichen Existenz und die Bedeutung von Erinnerungen nachzudenken, auch wenn diese vergänglich sind.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.