Abendblick vom Hochstein
Es deckt mit seidnen Schleiern
Der Tag sein Ölbild zu:
Um Dorf und Acker fledert
Mausgraue Abendruh.
Fichtwald nimmt seinen Mantel
Und brummelt in den Bart.
Des Baches Blindschleich findet
Mehr kaum den Silberpfad.
Fermatenlang gezogen
Klimmt noch ein Bauernchor
Mit Spuk und Nebel kämpfend
Zu meinem müden Ohr.
Die Himmelsleute zünden
Nun blaues Feuerwerk
Und durch die weichen Dunkel
Trippelt Prinz Schlafezwerg.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Abendblick vom Hochstein“ von Hugo Ball beschreibt eine Abendstimmung, die von einer eher melancholischen Ruhe und dem Übergang von Tag zu Nacht geprägt ist. Das lyrische Ich scheint die Szene von einem erhöhten Standort, dem Hochstein, aus zu betrachten, was dem Gedicht eine besondere Perspektive und Intimität verleiht. Die gewählte Sprache ist bildhaft und nutzt zahlreiche Metaphern, um die Atmosphäre einzufangen.
Das Gedicht beginnt mit dem Bild des Tages, der sein „Ölbild“ mit „seidnen Schleiern“ zudeckt, was eine elegante und poetische Umschreibung des Sonnenuntergangs darstellt. Die „mausgraue Abendruh“ überzieht Dorf und Acker und symbolisiert das Einsetzen der Dämmerung und die damit verbundene Stille. Der Fichtwald wird personifiziert und nimmt seinen „Mantel“, was die Verfinsterung und das Absinken der Temperaturen andeutet. Der „Silberpfad“ des Baches wird nur noch schwerlich gefunden, was die zunehmende Dunkelheit und die Schwierigkeit, die Umgebung zu erkennen, unterstreicht.
Im zweiten Teil des Gedichts wird die Szene weiter verfeinert. Der „Bauernchor“ ist noch zu hören, kämpft aber mit „Spuk und Nebel“, was auf eine Verbindung zwischen der realen Welt und einer Welt der Fantasie hindeutet. Der Klang des Chors klingt „fermatenlang“, was die Länge und Beharrlichkeit des Klangs hervorhebt und die Langsamkeit des Abends betont. Es ist, als ob die Umgebung langsam verstummt und sich in die Nacht hüllt, während das lyrische Ich als einziger Zeuge zurückbleibt.
Die letzten Verse des Gedichts leiten den Übergang in die Nacht ein. „Die Himmelsleute“ entzünden „blaues Feuerwerk“, was die Sterne darstellt, die am Nachthimmel erscheinen. „Prinz Schlafezwerg“ wird beschworen, der durch die „weichen Dunkel“ trippelt. Dies symbolisiert den Eintritt der Nacht und des Schlafes. Das Gedicht endet mit einem Gefühl der Ruhe und des Friedens, das durch die poetischen Bilder erzeugt wird, die die Atmosphäre des Abends einfangen. Es ist ein Moment der Stille und Kontemplation, der die Verbindung zwischen Mensch und Natur hervorhebt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.