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Das ferne Land

Von

Und das ist offenbar:
Ich weiß ein Land, in dem ich niemals war;
Da fließt ein Wasser, das ist silberklar,
Da blühen Blumen, deren Duft ist rein
Und ihre Farben sind so zart und fein,
So zart und fein, wie sonst am Himmel nur
Der Abendröte allerletzte Spur
An hellen Abenden im jungen Mai
Beim allerersten fernen Eulenschrei.

Auch singt ein Vogel in dem fernen Land,
Er singt ein Lied, das ist mir unbekannt;
Ich hört′ es nie und weiß doch, wie es klingt
Und weiß es auch, was mir der Vogel singt;
Das Leben singt er, und er singt den Tod,
Die höchste Wonne und die tiefste Not,
Jedwede Lust und jeglich Herzeleid,
Die Lust der Zeit, das Weh der Ewigkeit.

Ich kenn′ das Land und weiß nicht, wo es liegt,
Und weiß es nicht, wohin der Vogel fliegt,
Und hörte von dem Bach das Rauschen kaum,
Der Blumen Duft empfand ich nur im Traum;
Im Traume nur sind einst sie mir erblüht,
Im Traum nur hörte ich des Vogels Lied,
Das Lied vom Leben und das Lied vom Tod,
Das Lied der Wonne und das Lied der Not.

Erreiche ich das ferne, fremde Land,
Dann blüht das Lebensmal in meiner Hand;
Wenn nicht, dann sang der Vogel nur von Tod,
Sang mir ein Leben, bitter und voll Not;
Du weißt den Weg nach jenem Land; sag ja!
Dann ist das ferne, fremde Land so nah,
Dann singt der Vogel nimmermehr von Tod
Und Not; dann blühen alle Blumen rot, so rot,
So rosenrot.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Das ferne Land von Hermann Löns

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das ferne Land“ von Hermann Löns handelt von der Sehnsucht nach einem idealisierten Ort, der sich außerhalb der greifbaren Realität befindet. Das Gedicht zeichnet ein Bild von einer unberührten, paradiesischen Welt, in der alles vollkommen ist: ein klarer Fluss, wohlriechende Blumen und ein Vogel, der ein Lied von Leben und Tod singt. Dieses ferne Land, das der Dichter beschreibt, ist jedoch unerreichbar, eine Vorstellung, die nur im Traum erlebt werden kann.

Die zentrale Thematik ist das Spannungsverhältnis zwischen dem Wissen um die Existenz dieses idealen Ortes und der Unfähigkeit, ihn zu erreichen. Die Wiederholung von „Ich weiß ein Land, in dem ich niemals war“ betont die Distanz und die Unerreichbarkeit. Das Gedicht spiegelt die menschliche Sehnsucht nach Vollkommenheit, nach einer Welt ohne Leid und Schmerz wider. Der Vogel, der sowohl von Leben als auch vom Tod singt, deutet darauf hin, dass das Ideal auch die Polaritäten des Lebens umfassen muss, um vollständig zu sein.

Die Struktur des Gedichts verstärkt diese Thematik. Die ersten Strophen beschreiben das ferne Land in detailreichen Bildern, die die Sinne ansprechen. Die letzte Strophe hingegen wirft eine entscheidende Frage auf: Kann das ferne Land erreicht werden? Die Antwort bleibt offen, da der Dichter seine Hoffnung in der Frage an den Leser ausdrückt. Es verdeutlicht die emotionale Abhängigkeit des lyrischen Ichs von diesem Sehnsuchtsort.

Die sprachliche Gestaltung des Gedichts ist von einfachen Worten und klaren Bildern geprägt, was die emotionale Wirkung verstärkt. Die Wiederholung von Schlüsselwörtern wie „Land“, „Vogel“ und „Traum“ verstärkt die zentrale Botschaft. Die Verwendung von Reimen erzeugt einen fließenden Rhythmus, der die Sehnsucht und die Hoffnung des Dichters widerspiegelt. Die Farben spielen eine wichtige Rolle, besonders das abschließende „so rosenrot“, welches die Erfüllung der Sehnsucht und die Transformation des Todes in ein blühendes Leben andeutet.

Insgesamt ist „Das ferne Land“ ein Gedicht über die menschliche Sehnsucht, die Unerreichbarkeit des Ideals und die Hoffnung auf Erfüllung. Es ist eine Reflexion über die Natur des Lebens, das Leben und Sterben umfasst, und die Suche nach einem Ort der Vollkommenheit, der vielleicht nur in unseren Träumen existiert. Die emotionale Kraft des Gedichts liegt in der einfachen Sprache und den klaren Bildern, die die universelle Erfahrung der Sehnsucht nach etwas Unbekanntem und Schönem erfahrbar machen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.