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In den Beeren

Von

Singe, Mädchen, hell und klar,
Sing′ aus voller Kehle,
Daß uns nicht die Spatzenschar
Alle Beeren stehle!

Mutter, mag auch weit der Spatz
Flieh′n vor meinem Singen,
Fürcht′ ich doch, es wird den Schatz
Um so näher bringen.

Freilich, für so dreisten Gauch
Braucht es einer Scheuche,
Warte nur, ich komme auch
In die Beerensträuche!

Die Tochter

Mutter, nein, das hat nicht Not:
Beeren, schau, sind teuer,
Doch der Küsse, reif und rot,
Gibt es viele heuer!

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Gedicht: In den Beeren von Hans Schmidt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „In den Beeren“ von Hans Schmidt präsentiert eine charmante Szene, die die spielerische Interaktion zwischen einer Mutter und ihrer Tochter thematisiert, während sie gleichzeitig die versteckte Absicht der Tochter offenbart. Der erste Vers, in dem das Mädchen aufgefordert wird, hell zu singen, um die Spatzen von den Beeren fernzuhalten, etabliert eine scheinbar harmlose Situation. Die Aufforderung zum lauten Singen dient als eine Art Ablenkungsmanöver, um die Vögel zu verscheuchen, aber schon in den ersten Zeilen zeichnet sich eine leichte Ironie ab, die den wahren Zweck des Singens andeutet.

Die zweite Strophe verstärkt diese Ironie. Obwohl die Mutter glaubt, das Singen würde die Spatzen vertreiben, deutet das Mädchen an, dass ihr Gesang eine andere Wirkung hat. Sie fürchtet nicht die Vögel, sondern erwartet, dass das Singen „den Schatz“ näherbringt. Hier wird der „Schatz“ als Metapher für etwas Kostbares, wahrscheinlich ein romantisches Interesse, interpretiert. Die kluge Tochter durchschaut die Natur des Singens, das mehr ist als nur ein Mittel zur Vogelabwehr; es ist ein Lockmittel, um das Interesse einer anderen Person zu wecken.

Die dritte Strophe verfeinert diese subtile Doppeldeutigkeit. Die Tochter drückt ein Gefühl der Überlegenheit aus und verspricht, den „dreisten Gauch“ (also einen unverschämten Mann) zu verjagen, indem sie ihm in die Beerensträucher folgt. Dies deutet darauf hin, dass die Tochter in der Lage ist, die Situation zu kontrollieren und die Rolle der Verfolgung in die Rolle der Verfolgten umzukehren. Die scheinbar kindliche Unschuld wird durch diese Aussage untergraben, was auf eine tiefere Einsicht in die Mechanismen der Anziehung hindeutet.

Die letzte Strophe offenbart schließlich die wahren Absichten des Mädchens. Sie argumentiert, dass Beeren teuer sind, während Küsse reichlich vorhanden sind. Dies ist eine elegante und humorvolle Auflösung, die die vorherigen Andeutungen bestätigt. Die Tochter priorisiert die Freude und den Genuss der Liebe über die materiellen Werte, die durch die Beeren repräsentiert werden. Das Gedicht endet mit einem optimistischen Hinweis auf die Fülle und den Überfluss der Liebe, was es zu einem anmutigen und witzigen Stück macht, das die menschlichen Sehnsüchte auf spielerische Weise erforscht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.