Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.

Der Faule

Von

Rennt dem scheuen Glücke nach!
Freunde, rennt euch alt und schwach!
Ich nehm teil an eurer Müh:
Die Natur gebietet sie.
Ich, damit ich auch was tu –
Seh euch in dem Lehnstuhl zu.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Faule von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Faule“ von Gotthold Ephraim Lessing präsentiert auf humorvolle Weise eine konträre Sichtweise auf das Streben nach Glück und Erfolg. Der Ich-Erzähler, der sich als „Fauler“ bezeichnet, wählt einen scheinbar passiven Ansatz und betrachtet das emsige Treiben seiner Freunde aus der Distanz.

Der erste Teil des Gedichts ist von Ironie geprägt. Der Erzähler ermutigt seine Freunde, dem „scheuen Glücke“ nachzujagen und sich dabei zu „alt und schwach“ zu rennen. Diese Aufforderung, die eigentlich eine Aufmunterung sein soll, wirkt aufgrund des folgenden Satzes fast zynisch. Indem der Erzähler erklärt, er nehme an der Mühe der Freunde teil, weil „die Natur gebietet sie“, deutet er an, dass er deren Anstrengungen als natürlich, aber letztendlich sinnlos betrachtet. Das Streben nach Glück, so suggeriert der Faule, ist ein unabdingbarer Trieb, dem sich der Mensch nicht entziehen kann.

Der zweite Teil des Gedichts enthüllt die wahre Absicht des Erzählers. Er gesteht, dass er, um auch etwas zu „tun“, seine Freunde in ihrem Streben von einem Lehnstuhl aus beobachtet. Diese Schlusszeile kehrt die traditionelle Vorstellung von Aktivität und Passivität um. Der Faule nutzt die Energie seiner Freunde, um sein eigenes „Tun“ zu definieren: das Beobachten, das Reflektieren und möglicherweise das Genießen der Früchte ihrer Arbeit, ohne selbst einen Finger zu rühren.

Lessing spielt mit der Erwartungshaltung des Lesers und liefert eine satirische Kritik am unreflektierten Streben nach Erfolg. Die „Faulheit“ wird hier als eine Form der Selbstbehauptung und der bewussten Distanzierung von einem als sinnlos empfundenen Wettbewerb dargestellt. Das Gedicht regt dazu an, über die Definition von Glück und Erfolg nachzudenken und die Frage zu stellen, ob Aktivität im Sinne des allgemeinen Strebens zwingend mit einem erfüllten Leben gleichzusetzen ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.