Groß willst du, und auch artig sein?
Marull, was artig ist, ist klein.
An den Marull
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An den Marull“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine prägnante, zweizeilige Aussage, die sich mit dem Widerspruch zwischen Größe und Anstand, oder besser, mit den konventionellen Vorstellungen von „Artigkeit“ auseinandersetzt. Es ist ein klassisches Beispiel für Lessings Fähigkeit, komplexe Ideen auf eine zugespitzte, pointierte Weise auszudrücken. Die Kürze des Gedichts verstärkt seine Wirkung, indem es den Leser direkt anspricht und zum Nachdenken anregt.
Die erste Zeile, „Groß willst du, und auch artig sein?“, stellt eine Frage, die im Kern die zentrale Problematik des Gedichts formuliert. Das „du“ adressiert hier einen spezifischen Adressaten, Marull, impliziert aber gleichzeitig eine allgemeine Gültigkeit der Frage. Der Wunsch, sowohl „groß“ (also bedeutend, erhaben, vielleicht auch erfolgreich) als auch „artig“ (im Sinne von konform, angepasst) zu sein, wird als ein scheinbar widersprüchliches Ziel dargestellt. Lessing suggeriert hier, dass es schwierig, wenn nicht unmöglich ist, beides gleichzeitig zu erreichen.
Die zweite Zeile, „Marull, was artig ist, ist klein.“, liefert die Auflösung der Frage und die eigentliche Aussage des Gedichts. Die scheinbar einfache Feststellung, dass „was artig ist, ist klein“, ist eine kritische Bemerkung über die Natur der „Artigkeit“. Lessing deutet an, dass die konventionelle „Artigkeit“, die oft mit Anpassung, Gehorsam und dem Streben nach gesellschaftlicher Akzeptanz verbunden ist, notwendigerweise eine Beschränkung der Größe und der Individualität bedeutet. In anderen Worten, wer sich zu sehr an Konventionen orientiert und versucht, „artig“ zu sein, wird sich möglicherweise von dem abwenden, was ihn wirklich „groß“ machen könnte.
Die Stärke des Gedichts liegt in seiner Klarheit und Direktheit. Es ist ein Appell an den Mut zur Eigenständigkeit und zur Überwindung von konventionellen Zwängen. Indem Lessing die scheinbar gegensätzlichen Begriffe „groß“ und „artig“ gegenüberstellt, eröffnet er eine Diskussion über die Definition von Erfolg und Bedeutung im Leben. Das Gedicht fordert den Leser auf, seine eigenen Werte und Ziele zu hinterfragen und sich zu fragen, ob er bereit ist, die Beschränkungen der „Artigkeit“ zu akzeptieren oder nach größerer, individueller Bedeutung zu streben.
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