Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.

Die Schatzgräber

Von

Ein Winzer,der am Tode lag,
rief seine Kinder an und sprach:
„In unserm Weinberg liegt ein Schatz,
grabt nur danach!“-„An welchem Platz?“
schrie alles laut den Vater an.
„Grabt nur!“ O weh! da starb der Mann.
Kaum war der Alte beigeschafft,
so grub man nach aus Leibeskraft.
Mit Hacke, Karst und Sparten ward
der Weinberg um und um geschart.
Da war kein Kloß,der ruhig blieb;
man warf die Erde gar durchs Sieb
und zog die Harken kreuz und quer
nach jedem Steinchen hin und her
Allein, da ward kein Schatz verspürt,
und jeder hielt sich angeführt.
Doch kaum erschien das nächste Jahr,
so nahm man mit Erstaunen war,
daß jede Rebe dreifach trug.
Da wurden erst die Söhne klug
und gruben nun jahrein, jahraus
des Schatzes immer mehr heraus.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Schatzgräber von Gottfried August Bürger

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Schatzgräber“ von Gottfried August Bürger erzählt eine Parabel über die wahre Natur von Reichtum und Erbe. Der sterbende Vater gibt seinen Kindern den Auftrag, in seinem Weinberg nach einem Schatz zu graben, ohne den genauen Ort zu nennen. Diese vage Anweisung setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die die Söhne zu unermüdlicher Arbeit und letztendlich zu unerwartetem Wohlstand führt. Die Ausgangssituation ist durch die Trauer über den Tod des Vaters getrübt, doch die Hoffnung auf den verborgenen Reichtum überwiegt, was die Kinder dazu antreibt, sofort mit der Suche zu beginnen.

Die intensive Suche, die in den Versen beschrieben wird – mit Hacke, Karst und Sparten, dem Sieben der Erde und dem akribischen Durchkämmen des Bodens – symbolisiert die Anstrengung und den Fleiß, die für den Erfolg erforderlich sind. Die anfängliche Enttäuschung, als kein greifbarer Schatz gefunden wird, verdeutlicht die Kurzlebigkeit materieller Erwartungen und die Leere, die entsteht, wenn man sich ausschließlich auf einen vermeintlichen Reichtum konzentriert. Die Tatsache, dass sich die Söhne „angeführt“ fühlen, zeigt ihre Enttäuschung und das Gefühl, getäuscht worden zu sein.

Der Wendepunkt des Gedichts kommt im nächsten Jahr, als die Reben dreifach so viel Ertrag bringen. Dieser unerwartete Erfolg offenbart die wahre Botschaft des Gedichts: Der „Schatz“ des Vaters war nicht in Form von Gold oder Juwelen verborgen, sondern in der Anweisung, den Weinberg zu bebauen. Die Arbeit, die sie in der Suche nach dem Schatz investierten, hatte unbeabsichtigt zu einer Verbesserung des Bodens und damit zu einem größeren Ernteertrag geführt.

Die abschließende Zeile, „und gruben nun jahrein, jahraus / des Schatzes immer mehr heraus“, unterstreicht die Erkenntnis der Söhne und ihre neue Ausrichtung. Sie verstehen nun, dass der wahre Reichtum in der Arbeit, dem Engagement und der nachhaltigen Verbesserung des Landes liegt. Das Gedicht vermittelt so eine einfache, aber tiefgründige Botschaft über die Bedeutung von Fleiß, Beharrlichkeit und der indirekten Art und Weise, wie wahres Glück und Erfolg oft gefunden werden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.