In ein altes Stammbuch
Immer wiederkehrst du, Melancholie,
O Sanftmut der einsamen Seele.
Zu Ende glüht ein goldener Tag.
Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
Siehe! es dämmert schon.
Wiederkehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches,
Und es leidet ein anderes mit.
Schauernd unter herbstlichen Sternen
Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In ein altes Stammbuch“ von Georg Trakl ist eine kurze, aber intensive Reflexion über Melancholie, Einsamkeit und die Vergänglichkeit des Lebens. Es zeichnet sich durch eine melancholische Grundstimmung aus, die durch bildhafte Sprache und wiederkehrende Motive erzeugt wird. Der Titel deutet auf eine persönliche, intime Geste hin, als würde der Dichter seine Gedanken in ein Stammbuch, ein Andenkenbuch, eintragen.
Die erste Strophe etabliert die zentrale Thematik: die Melancholie. Sie wird als ein immer wiederkehrendes Gefühl beschrieben, das untrennbar mit der „einsamen Seele“ verbunden ist. Das Ende eines „goldenen Tages“ deutet auf das Vergehen von Schönheit und Glück hin, was die melancholische Grundstimmung verstärkt. Die Verwendung des Wortes „Sanftmut“ suggeriert, dass die Melancholie nicht nur ein Gefühl der Traurigkeit, sondern auch eine stille Akzeptanz des Leids darstellt.
Die zweite Strophe vertieft das Thema durch das Bild des „Geduldigen“, der sich „demutsvoll“ dem Schmerz beugt. Dieser Akt der Unterwerfung wird von „Wohllaut“ und „weichem Wahnsinn“ begleitet, was eine ambivalente Verbindung von Schönheit und Leid andeutet. Die Zeile „Siehe! es dämmert schon“ verstärkt das Gefühl des nahenden Abends und des Unvermeidlichen. Das Dämmern kann als Metapher für den Übergang in eine dunklere, melancholischere Phase des Lebens verstanden werden.
Die dritte Strophe führt das Motiv der Nacht und des Leidens ein. Die Nacht, die wiederkehrt, wird als Zeit der Klage dargestellt, und das „Sterbliche“ leidet. Die Zeile „Und es leidet ein anderes mit“ deutet auf eine universelle Erfahrung des Leidens hin, die über die individuelle Erfahrung hinausgeht. Die letzte Strophe verstärkt diese allgemeine Erfahrung des Schmerzes, indem sie die „herbstlichen Sterne“ und das sich „jährlich tiefer“ neigende Haupt einbezieht. Das wiederholte Auftreten des Herbstes symbolisiert das Vergehen der Zeit und die unaufhaltsame Bewegung in Richtung Tod und Vergessen. Das Gedicht schließt mit einem Bild der Resignation und des tieferen Eintauchens in die Melancholie.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.