In den Nachmittag geflüstert
Sonne, herbstlich dünn und zag,
Und das Obst fällt von den Bäumen.
Stille wohnt in blauen Räumen
Einen langen Nachmittag.
Sterbeklänge von Metall;
Und ein weißes Tier bricht nieder.
Brauner Mädchen rauhe Lieder
Sind verweht im Blätterfall.
Stirne Gottes Farben träumt,
Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.
Schatten drehen sich am Hügel
Von Verwesung schwarz umsäumt.
Dämmerung voll Ruh und Wein;
Traurige Guitarren rinnen.
Und zur milden Lampe drinnen
Kehrst du wie im Traume ein.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „In den Nachmittag geflüstert“ von Georg Trakl zeichnet ein düsteres, von Melancholie und dem Vorzeichen des Todes durchzogenes Stimmungsbild des Spätherbstes. Die Sprache ist knapp und bildreich, und die wenigen Verse evozieren eine beklemmende Atmosphäre von Verfall, Einsamkeit und dem Gefühl des nahenden Endes. Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung einer herbstlichen Sonne, die „dünn und zag“ wirkt, was bereits einen Eindruck von Schwäche und Vergeblichkeit vermittelt. Das fallende Obst und die Stille in den „blauen Räumen“ verstärken diese trübe Stimmung und leiten den Leser in einen meditativen, aber auch beunruhigenden Zustand.
Im zweiten Abschnitt werden die Motive des Todes und des Verfalls deutlicher. „Sterbeklänge von Metall“ deuten auf ein Ende hin, vielleicht auf das Läuten von Glocken oder das Klingeln von Waffen. Das „weiße Tier“, das „bricht nieder“, ist ein Symbol für Verletzlichkeit und Sterblichkeit. Die „rauhen Lieder“ der „braunen Mädchen“, die im Blätterfall verweht sind, unterstreichen den Verlust und die Vergänglichkeit menschlicher Freuden. Die Farbwahl, mit dem Brauen der Mädchen und dem Weißen des Tieres, kontrastiert mit den blauen Räumen und verleiht der Szenerie eine kühle, fast schon morbide Schönheit.
Der dritte Teil führt die Themen Wahnsinn und Verwesung ein. Die „Stirne Gottes“ träumt „Farben“, möglicherweise eine Vision oder ein Zeichen von spirituellem Erleben, doch gleichzeitig werden die „sanften Flügel“ des Wahnsinns gespürt. Die „Schatten“, die sich am Hügel „von Verwesung schwarz umsäumt“ drehen, verstärken das Gefühl der Zerstörung und des Zerfalls, sowohl in der Natur als auch im Inneren des Menschen. Hier zeigt sich Trakls typische Verwendung von Symbolen, die auf eine tiefe, existenzielle Krise hindeuten.
Das Gedicht schließt mit einer Szene der Dämmerung, der Ruhe und des Weins, die jedoch von „traurigen Guitarren“ begleitet wird. Die abschließenden Zeilen, in denen die Leserin oder der Leser „wie im Traume“ zur „milden Lampe“ zurückkehrt, erzeugen eine Atmosphäre der Sehnsucht nach Geborgenheit oder Trost. Dieser Rückzug scheint jedoch von einer tiefen Melancholie getragen zu sein, da das Bild des Traumes die Unwirklichkeit und die Flüchtigkeit des Augenblicks betont. Insgesamt ist das Gedicht eine Meditation über die Vergänglichkeit des Lebens, die Zerstörung und die Suche nach Trost in einer Welt, die von Verfall und Tod geprägt ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.