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Tiflis 1.

Von

Verschiedenes

Im Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her.
Doch irrst du, Freund, sobald du sagst, sie schwanke hin und her!
Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund,
Ihr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her.
Platen

1.

Wodurch ist Schiras wohl, die Stadt,
Berühmt mit Ros′ und Wein geworden?
Wodurch berühmt der Roknabad,
Berühmt Mosellas Hain geworden?

Nicht ihre Schönheit war der Grund,
Viel Schöneres auf Erden gibt es –
Sie sind berühmt durch dein Gedicht,
Durch dich, Hafis! allein geworden!

Das Bonzentum hast du gestürzt,
Und Schiras′ Ruhm hast du gegründet –
Es ist durch dich das Kleine groß,
Durch dich das Große klein geworden!

Verherrlicht hast du Stadt und Hain,
Verschönt den Strom und seine Ufer –
Durch dich ist jeder Stein der Stadt
Zu einem Edelstein geworden!

Auch Tiflis ist an Schönheit reich,
Hat Rosen, Wein und schmucke Mädchen –
Und durch dich selbst Mirza-Schaffy,
Ist auch ein Sänger sein geworden!

Drum soll, was Schiras durch Hafis,
Tiflis durch deine Lieder werden –
Denn aller Zubehör ist dir
Im herrlichsten Verein geworden.

Die stromdurchrauschte Gartenstadt,
Umragt von himmelhohen Bergen,
Und was darinnen blüht und lebt,
Mirza-Schaffy! ist dein geworden!

Ihr schönen Mädchen (merkt euch das!)
Gehört jetzt mir und meinem Liede!
Mein sind nun Augen, Wang′ und Mund
Samt ihrem Glanz und Schein geworden!

Zum Paradiese wird mein Lied
Für Schönheit, Blumen, Wein und Liebe –
Was eingeht in dies Paradies,
Ist aller Sünden rein geworden!

Doch eine Hölle wird es sein
Für Bonzen, Kuß- und Weinverächter –
Für dies Geschlecht ist jeder Vers
Zur Stätte ewiger Pein geworden!

So soll durch alle Lande nun,
Mirza-Schaffy, dein Lied ertönen –
Für alles schöne Sein und Tun
Ist es ein Widerschein geworden.

Du sandtest deine Jünger aus,
Und es geschah, wie du verheißen:
Berühmt ist Tiflis durch dein Lied
Vom Kyros bis zum Rhein geworden.

(aus: Die Lieder des Mirza-Schaffy)

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Tiflis 1. von Friedrich von Bodenstedt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Tiflis 1“ von Friedrich von Bodenstedt, aus der Sammlung „Die Lieder des Mirza-Schaffy“, ist eine Hommage an die Macht der Poesie, insbesondere im Kontext der persischen Dichtkunst. Es feiert die transformative Kraft der Worte, die selbst eine Stadt wie Tiflis in ein Paradies verwandeln können, indem es ihre Schönheit und Bedeutung durch die Kunst der Dichtkunst aufwertet. Der Dichter, der sich selbst als Mirza-Schaffy darstellt, beansprucht durch seine Verse die Schönheit der Stadt, von den Mädchen bis zu den Blumen, und erklärt, dass diese durch seine Lieder zu seinem Besitz werden.

Die zentrale Idee des Gedichts ist die Verwandlung, die durch die Dichtkunst erreicht wird. Bodenstedt/Mirza-Schaffy zieht Parallelen zwischen der Wirkung der Dichtkunst von Hafis auf Schiras und der gewünschten Wirkung seiner eigenen Gedichte auf Tiflis. Hafis wird als derjenige gepriesen, der Schiras durch seine Worte berühmt gemacht hat, und die Absicht des Dichters ist es, dass seine eigenen Verse Tiflis ebenso glanzvoll und unvergesslich machen. Dies zeigt die Überzeugung des Dichters von der Fähigkeit der Worte, das Gewöhnliche in das Außergewöhnliche zu verwandeln, und die Welt durch die Augen der Kunst neu zu gestalten.

Das Gedicht verwendet eine lebhafte und beschreibende Sprache, die von sinnlichen Bildern geprägt ist. Es bezieht sich auf Rosen, Wein und schöne Mädchen, Elemente, die in der persischen Lyrik oft vorkommen und für Schönheit, Genuss und Liebe stehen. Der Dichter erzeugt ein Bild von Tiflis als einem Paradies, in dem die Freuden des Lebens gefeiert werden, und die Dichtkunst selbst wird als Tor zu diesem Paradies dargestellt. Gleichzeitig deutet das Gedicht eine dualistische Sichtweise an, indem es eine Hölle für diejenigen schafft, die Schönheit und Genuss verachten, was die Polarisierung der Dichtkunst und die daraus resultierende Wertschätzung der Lebensfreude unterstreicht.

Die Verwendung von Metaphern wie der des Paradieses, der Hölle und der „Edelsteine“ unterstreicht die transformative Kraft der Dichtkunst. Die Mädchen, die einst Teil des Alltags waren, werden durch die Poesie zu „Besitz“ des Dichters, was ihre Schönheit und ihren Wert erhöht. Das Gedicht endet mit einem Ausblick auf die Verbreitung dieser Poesie und ihrer Wirkung, wobei die Prophezeiung angedeutet wird, dass das Lied des Mirza-Schaffy von „Kyros bis zum Rhein“ gehört werden wird. Dies unterstreicht die universelle und dauerhafte Natur der Poesie und ihre Fähigkeit, kulturelle Grenzen zu überwinden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.