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Traum

Von

Ich bin so vielfach in den Nächten.
Ich steige aus den dunklen Schächten.
Wie bunt entfaltet sich mein Anderssein.

So selbstverloren in dem Grunde,
Nachtwache ich, bin Traumesrunde
Und Wunder aus dem Heiligenschrein.

Und öffnen sich mir alle Pforten,
Bin ich nicht da, bin ich nicht dorten?
Bin ich entstiegen einem Märchenbuch?

Vielleicht geht ein Gedicht in ferne Weiten.
Vielleicht verwehen meine Vielfachheiten,
Ein einsam flatternd, blasses Fahnentuch…

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Gedicht: Traum von Emmy Hennings

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Traum“ von Emmy Hennings drückt die Zerrissenheit und die komplexe Wahrnehmung einer träumenden oder versunkenen Seele aus. Zu Beginn stellt sich die Erzählerin als „so vielfach in den Nächten“ dar, was auf eine Vielzahl von Identitäten oder Perspektiven hinweist, die sie in der Dunkelheit annimmt. Das Bild des „steigens aus den dunklen Schächten“ könnte symbolisieren, dass die Erzählerin aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins oder der Dunkelheit des eigenen Selbst emporsteigt, um sich selbst oder andere Aspekte ihrer Existenz zu entdecken.

In der zweiten Strophe ist die Erzählerin von einer Atmosphäre des „Wunders“ und der „Nachtwache“ umgeben. Sie beschreibt sich als Teil der „Traumesrunde“, was darauf hinweist, dass sie in einer Welt des Traums und der Fantasie lebt, die sich von der Realität abhebt. Der „Heiligenschrein“ könnte dabei für einen heiligen, geschützten Raum der Selbstfindung oder für eine tiefere, spirituelle Ebene des Seins stehen, die sie durchschreitet. Diese Welt ist sowohl verwirrend als auch faszinierend, eine Mischung aus Spiritualität und einer fast mystischen Wahrnehmung.

Die dritte Strophe thematisiert das Aufeinandertreffen von Identität und Vergänglichkeit. Die Frage „Bin ich nicht da, bin ich nicht dorten?“ verdeutlicht das Gefühl von Entfremdung und das Fehlen einer festen Existenz. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen dem „Selbst“ und dem „Anderen“, zwischen dem „Ich“ und den verschiedenen Rollen oder Wahrnehmungen, die die Erzählerin in ihren Träumen annehmen kann. Die Zeilen „entstiegen einem Märchenbuch“ und die Unsicherheit der Existenz deuten darauf hin, dass die Erzählerin in einer Welt zwischen Realität und Fantasie lebt, in der ihre Identität und ihr Platz immer wieder in Frage gestellt werden.

Am Ende des Gedichts scheint die Erzählerin ihre Existenz als flüchtig und zerbrechlich zu begreifen. Das Bild des „einsam flatternden, blassen Fahnentuchs“ verstärkt das Gefühl von Vergänglichkeit und der Unbeständigkeit ihres Selbst. Vielleicht verweht sie in die Weiten der Unbestimmtheit, als Teil einer größeren, unerreichbaren Idee oder als ein Fragment der Fantasie. Dieses Bild spiegelt die Fragilität und die Offenheit ihrer Existenz wider, die ständig in Bewegung ist und immer wieder entgleitet. Das Gedicht lässt den Leser mit dem Gefühl einer träumerischen Zerrissenheit zurück, in der Identität und Realität verschwimmen und die Grenzen zwischen verschiedenen Seinsebenen unscharf werden.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.