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Schön Hedwig

Von

Im Kreise der Vasallen sitzt
Der Ritter, jung und kühn;
Sein dunkles Feuerauge blitzt,
Als wollt′ er ziehn zum Kampfe,
Und seine Wangen glühn.

Ein zartes Mägdlein tritt heran
Und füllt ihm den Pokal.
Zurück mit Lächeln tritt sie dann,
Da fällt auf ihre Stirne
Der klarste Morgenstrahl.

Der Ritter aber faßt sie schnell
Bei ihrer weißen Hand.
Ihr blaues Auge, frisch und hell,
Sie schlägt es erst zu Boden,
Dann hebt sie′s unverwandt.

»Schön Hedwig, die du vor mir stehst,
Drei Dinge sag mir frei:
Woher du kommst, wohin du gehst,
Warum du stets mir folgest;
Das sind der Dinge drei!«

Woher ich komm? Ich komm von Gott,
So hat man mir gesagt,
Als ich, verfolgt von Hohn und Spott,
Nach Vater und nach Mutter
Mit Tränen einst gefragt.

Wohin ich geh? Nichts treibt mich fort,
Die Welt ist gar zu weit.
Was tauscht′ ich eitel Ort um Ort?
Sie ist ja allenthalben
Voll Lust und Herrlichkeit.

Warum ich folg, wohin du winkst?
Ei, sprich, wie könnt′ ich ruhn?
Ich schenk den Wein dir, den du trinkst,
Ich bat dich drum auf Knien
Und möcht′ es ewig tun!

»So frage ich, du blondes Kind,
Noch um ein Viertes dich;
Dies Letzte sag mir an geschwind,
Dann frag ich dich nichts weiter,
Sag, Mägdlein, liebst du mich?«

Im Anfang steht sie starr und stumm,
Dann schaut sie langsam sich
Im Kreis der ernsten Gäste um,
Und faltet ihre Hände
Und spricht: Ich liebe dich!

Nun aber weiß ich auch, wohin
Ich gehen muß von hier;
Wohl ist′s mir klar in meinem Sinn:
Nachdem ich dies gestanden,
Ziemt nur der Schleier mir!

»Und wenn du sagst, du kommst von Gott,
So fühl ich, das ist wahr.
Drum führ ich auch, trotz Hohn und Spott,
Als seine liebste Tochter
Noch heut dich zum Altar.

Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt
Zu einem Fest euch ein;
Ihr Ritter, stolz und hoch gerühmt,
So folgt mir zur Kapelle,
Es soll mein schönstes sein!«

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Schön Hedwig von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Schön Hedwig“ von Friedrich Hebbel ist eine romantische Ballade, die die Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen einem Ritter und einem jungen Mädchen erzählt, die sich als göttliche Erscheinung entpuppt. Das Gedicht ist in sieben Strophen unterteilt, in denen der Ritter Hedwig Fragen stellt, die sie beantwortet, um ihre wahre Natur zu enthüllen und schließlich zu heiraten.

In den ersten Strophen wird der Ritter als jung und kühn beschrieben, wobei sein Blick und seine Wangen auf Leidenschaft hindeuten. Hedwig, die junge Frau, wird als zartes Mädchen dargestellt, das dem Ritter den Wein einschenkt und dann von einem Sonnenstrahl getroffen wird. Dies kann als ein Moment der Offenbarung oder göttlichen Bestimmung interpretiert werden, der ihre spirituelle Natur andeutet. Der Ritter greift nach ihrer Hand, und ihre anfängliche Zurückhaltung vor seinem Blick deutet auf Schüchternheit, aber auch auf die Erhabenheit ihres Charakters hin.

Die zentrale Frage-Antwort-Sequenz zwischen dem Ritter und Hedwig bildet das Herzstück des Gedichts. Der Ritter stellt Hedwig drei Fragen: Woher sie kommt, wohin sie geht und warum sie ihm folgt. Ihre Antworten, die von ihrem Ursprung bei Gott über ihr Verweilen in der Welt bis zu ihrer unaufrichtigen Liebe zum Ritter reichen, enthüllen nach und nach ihre göttliche Natur. Die Metaphern sind durchweg religiös, was sie auf die göttliche Natur der Liebe und die Vereinigung von Körper und Seele hinweist. Ihre Hingabe, Wein zu servieren und den Ritter zu lieben, symbolisiert einen Zustand des ewigen Dienstes und der ewigen Liebe.

Die vierte Frage des Ritters nach Hedwigs Liebe ist der entscheidende Moment. Ihr anfängliches Zögern und ihre anschließende Offenbarung, ihn zu lieben, leitet eine Wendung in der Geschichte ein. Hedwig enthüllt ihr Schicksal und ihr Wissen über ihre Verbindung zum Ritter, was das Gedicht auf eine tiefer liegende Ebene der Spiritualität und des Selbstbewusstseins hebt. Die letzten Strophen zeigen ihre Entscheidung, zum Altar zu gehen, wobei sie die Anwesenden, die ursprünglich als Gäste gedacht waren, in ihren religiösen Bund einbezieht.

Das Gedicht verwendet eine einfache, aber eindrucksvolle Sprache, die es für den Leser verständlich macht. Die Verwendung von Reimen und Rhythmus trägt zur musikalischen Qualität der Ballade bei. Es erforscht Themen wie Liebe, Spiritualität, die Suche nach Wahrheit und die Vereinigung von Weltlichem und Göttlichem. „Schön Hedwig“ ist somit ein romantisches Gedicht, das die transformative Kraft der Liebe und die spirituelle Erleuchtung durch Hingabe feiert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.