Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , , , , ,

Freude in Ehren

Von

Ne Gsang in Ehre,
wer will’s verwehre?
Singt ’s Tierli nit in Hurst und Nast,
der Engel nit im Sterneglast?
E freie frohe Mut,
e gsund und fröhlich Blut
goht über Geld und Gut.
Ne Trunk in Ehre,
wer will’s verwehre?
Trinkt ’s Blüemli nit si Morgetau?
Trinkt nit der Vogt si Schöppli au?
Und wer am Werchtig schafft,
dem bringt der Rebesaft
am Sunntig neui Chraft.
Ne Chuß in Ehre,
wer will’s verwehre?
Chüßt ’s Blüemli nit sie Schwesterli,
und ’s Sternli chüßt si Nöchberli?
In Ehre, hani gseit,
und in der Unschuld Gleit,
mit Zucht und Sittsemkeit.
Ne freudig Stündli,
isch’s nit e Fündli?
Jez hemmer’s und jez simmer do;
es chunnt e Zit, würd’s anderst goh.
’s währt alles churzi Zit,
der Chilchhof isch nit wit.
Wer weiß, wer bal dört lit?
Wenn d’Glocke schalle,
wer hilftis alle?
O gebis Gott e sanfte Tod!
E rüeihig Gwisse gebis Gott,
wenn d’Sunn am Himmel lacht,
wenn alles blizt und chracht,
und in der letzte Nacht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Freude in Ehren von Johann Peter Hebel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Freude in Ehren“ von Johann Peter Hebel feiert die einfachen, ehrlichen Freuden des Lebens – Gesang, Trunk, Kuss und ein freudiges Stündlein – und stellt sie unter das Leitmotiv der „Ehre“. Dabei betont Hebel, dass Freude, wenn sie „in Ehre“ geschieht, ein menschliches Grundbedürfnis und zugleich etwas Gutes und Natürliches ist. Die Natur wird als Vorbild herangezogen: Tiere singen, Blumen trinken Tau, Sterne küssen sich – alles im Einklang, in Unschuld und Anstand.

Der Text verteidigt das Genießen gegen Vorurteile und Maßregelung. Besonders die Wendung „In Ehre, hani gseit“ hebt hervor, dass Hebel die Freude nicht als Ausschweifung, sondern als maßvolle, züchtige Lebensbejahung versteht. Dabei hebt er hervor, dass wahre Freude mehr wert ist als „Geld und Gut“ – ein Aufruf, das Leben im Hier und Jetzt mit einem „freie frohe Mut“ zu schätzen.

Zugleich wird die Vergänglichkeit betont: Alles währt nur kurze Zeit, der Tod („der Chilchhof“) ist nie weit, und niemand weiß, wann er selbst „dört lit“. Die Freude erhält vor diesem Hintergrund eine besondere Tiefe: Gerade weil das Leben endlich ist, soll man es in Ehren genießen. Das Gedicht endet mit einer Bitte an Gott um einen sanften Tod und ein ruhiges Gewissen – sowohl im Alltag als auch in der „letzte Nacht“.

Hebel gelingt es, in volksnaher Sprache eine Lebensphilosophie zu entfalten, die Freude, Bescheidenheit und Vergänglichkeit verbindet. Der Mensch soll das Leben bewusst genießen, ohne Maßlosigkeit, und stets in der Gewissheit, dass alles vergänglich ist – ein Aufruf zur Dankbarkeit, zur Freude mit Maß und zur inneren Ruhe.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.