Die Schönheit
Das Loos der Götter ist auch dir gefallen;
Denn du bist schön, du brauchst dich nur zu zeigen,
So wird sogar von Lippen, welche schweigen,
Wenn Jeder jauchzt, dir Lob und Preis erschallen.
Denn, die als unerreichbar vorschwebt Allen,
Die Harmonie, ist deinem Wesen eigen,
Wie sollte dich, wo du erscheinst, ein Reigen
Von trunkenen Verehrern nicht umwallen!
Zwar werden wir′s nur schmerzlicher empfinden,
Wie viel uns mangelt, wenn wir auf dich schauen,
Allein du bist uns doch verwandt geblieben;
Drum dienst du, uns dem Höchsten zu verbinden,
Wir stehen ihm nicht länger fern mit Grauen,
Es tritt uns nah′ in dir, wir können′s lieben!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Schönheit“ von Friedrich Hebbel ist eine Ode an die Schönheit, die als göttliche Gabe gesehen und gleichzeitig in ihrer Wirkung auf den Menschen reflektiert wird. Das Gedicht beginnt mit der Feststellung, dass die Schönheit ein „Loos der Götter“ ist, was impliziert, dass die schöne Person eine besondere Gunst erfahren hat. Die Wirkung der Schönheit ist unmittelbar: Nur ihr Erscheinen genügt, um Bewunderung und Lob zu entfachen, sogar von denen, die sonst schweigen. Dies unterstreicht die kraftvolle und universelle Anziehungskraft der Schönheit.
Der zweite Teil des Gedichts vertieft die Auseinandersetzung mit der Schönheit. Sie wird als Inbegriff der Harmonie beschrieben, die dem Wesen der schönen Person innewohnt. Diese Harmonie zieht eine Schar von „trunkenen Verehrern“ an, ein Bild, das die überwältigende Wirkung der Schönheit auf die Betrachter veranschaulicht. Es wird angedeutet, dass diese Anziehungskraft so stark ist, dass sie die Fähigkeit des Einzelnen zur Distanzierung und rationalen Betrachtung beeinträchtigen kann.
In den letzten Versen erfolgt eine subtile Wendung. Die Schönheit wird nicht nur als Quelle der Bewunderung, sondern auch als Anstoß für eine tiefere Reflexion und Verbindung gesehen. Das Betrachten der Schönheit offenbart dem Betrachter, was ihm fehlt, und verstärkt so das Gefühl der Unzulänglichkeit. Doch trotz dieser Einsicht wird die Schönheit als etwas gesehen, das uns dem „Höchsten“ näherbringt. Sie dient als Brücke, die uns von dem „Grauen“ des Fernseins abwendet und uns ermöglicht, das Göttliche zu lieben.
Hebbel verknüpft in diesem Gedicht die ästhetische Erfahrung mit ethischen und metaphysischen Dimensionen. Die Schönheit, die zunächst als äußere Erscheinung gefeiert wird, wird durch die Reflexion auf die eigene Unvollkommenheit zur Quelle einer spirituellen Erkenntnis. Sie ist nicht nur ein Objekt der Bewunderung, sondern ein Mittel, um die eigene Beziehung zum Göttlichen zu vertiefen. Damit wird das Gedicht zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, wie Schönheit unser Verständnis von uns selbst und der Welt prägt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.