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An Christine Engehausen

Von

Du tränkst des Dichters dämmernde Gestalten,
Die ängstlich zwischen Sein und Nichtsein schweben,
Mit deinem Blut, und gibst den Schatten Leben,
In denen ungeborne Seelen walten.

Ich aber möchte nicht zu früh erkalten,
Der Zeit die Form zu dem Gehalt zu geben
Und über sich hinaus sie zu erheben
Durch neuer Schönheit schüchternes Entfalten.

Doch dieses Deutschland wird uns schwer erwarmen,
Und eh′ wir′s denken, stehn wir ab, verdrossen,
Drum laß uns eins das andere belohnen.

Wo treu und fest sich Mann und Weib umarmen,
Da ist ein Kreis, da ist der Kreis geschlossen,
In dem die höchsten Menschenfreuden wohnen.

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Gedicht: An Christine Engehausen von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Christine Engehausen“ von Friedrich Hebbel ist ein Liebesgedicht, das auf mehreren Ebenen interpretiert werden kann. Es beginnt mit einer Anspielung auf die schöpferische Kraft der Frau, die in der Lage ist, die „dämmernden Gestalten“ des Dichters, seine Ideen und Emotionen, zu beleben. Christine, die Adressatin des Gedichts, wird hier als eine Art Muse dargestellt, die dem Dichter Leben einhaucht und ihm ermöglicht, seine Kunst zu vollenden.

Der zweite Teil des Gedichts zeigt eine Gegenüberstellung von der eigenen Ambitionen des Dichters. Während Christine die Schatten mit Leben füllt, möchte der Dichter selbst die Form der Zeit mit Inhalt füllen und sie durch die Schaffung von neuer Schönheit erheben. Dies deutet auf Hebbels Bestreben nach künstlerischer Perfektion und seine Sehnsucht nach einer bedeutenden, bleibenden Kunst hin. Die Metapher des „Erkalten“ im Kontext dieser Schaffensansprüche legt nahe, dass der Dichter die Gefahr des Scheiterns und der Unvollkommenheit fürchtet. Das „schüchterne Entfalten“ der Schönheit könnte auch auf die Unsicherheit des Dichters in Bezug auf seine eigene Kunst anspielen.

Der mittlere Teil des Gedichts verlagert sich von der individuellen künstlerischen Bestrebung auf eine gesellschaftliche Ebene. Die Zeile „Doch dieses Deutschland wird uns schwer erwarmen“ deutet auf eine gewisse Ernüchterung des Dichters angesichts der gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit hin. Die Erwartung, dass Deutschland eine Umgebung der künstlerischen und menschlichen Entfaltung bieten würde, wird durch die düstere Prognose der „Verdrossenheit“ untergraben. Dies spiegelt Hebbels allgemeine Skepsis gegenüber der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wider, die er oft als engstirnig und konservativ wahrnahm.

Das Gedicht findet in der abschließenden Strophe einen Ausweg aus dieser scheinbaren Hoffnungslosigkeit, indem es die Kraft der Liebe und Partnerschaft in den Mittelpunkt rückt. Das Bild des „Umarmens“ zwischen Mann und Frau symbolisiert Geborgenheit, Einheit und die Möglichkeit, inmitten der Widrigkeiten der Welt ein erfülltes Leben zu führen. Der „Kreis, der geschlossen“ ist, steht für einen geschützten Raum, in dem die „höchsten Menschenfreuden“ ihren Platz finden. Somit bietet das Gedicht einen Trost und einen Rückzugsort in der Liebe, als Antwort auf die Herausforderungen der Welt und die eigenen künstlerischen Ängste.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.