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Zeuch ein zu deinen Toren

Von

Zeuch ein zu deinen Toren,
sei meines Herzens Gast,
der du, da ich geboren,
mich neu geboren hast,
o hochgeliebter Geist
des Vaters und des Sohnes,
mit beiden gleichen Thrones,
mit beiden gleich gepreist.

Zeuch ein, laß mich empfinden
und schmecken deine Kraft,
die Kraft, die uns von Sünden
Hülf und Errettung schafft.
Entsündge meinen Sinn,
daß ich mit reinem Geiste
dir Ehr und Dienste leiste,
die ich dir schuldig bin.

Du bist ein Geist, der lehret,
wie man recht beten soll.
Dein Beten wird erhöret,
dein Singen klinget wohl;
es steigt zum Himmel an,
es steiget sonder Ende,
bis der sich zu uns wende,
der allen helfen kann.

Du bist ein Geist der Freuden,
willst unser Trauern nicht,
erleuchtest uns im Leiden
mit deines Trostes Licht.
Ach ja, wie manches Mal
hast du mit süßen Worten
mir aufgetan die Pforten
zum goldnen Freudensaal.

Du bist ein Geist der Liebe,
ein Freund der Freundlichkeit,
willst nicht, daß uns betrübe
Zorn, Zank, Haß, Neid und Streit.
Der Feindschaft Feind du bist,
willst, daß durch Liebesklammern
sich wieder tu zusammen,
was voller Zwietracht ist.

Du, Herr, hast selbst in Händen
die ganze weite Welt,
kannst Menschenherzen wenden,
wie es dir wohlgefällt.
So gib doch deine Gnad
zu Fried- und Liebesbanden,
verknüpf in allen Landen,
was sich getrennet hatö

Beschirm die Obrigkeiten,
bau unsers Fürsten Thron,
steh ihm und uns zur Seiten;
schmück als mit einer Kron
die Alten mit Verstand,
mit Frömmigkeit die Jugend,
mit Gottesfurcht und Tugend
das Volk im ganzen Land.

Erfülle die Gemüter
mit reiner Glaubenszier,
die Häuser und die Güter
mit Segen für und für.
Vertreib den bösen Geist,
der sich dir widersetzes
und, was dein Herz ergötzet,
aus unserm Herzen reißt.

Richt unser ganzes Leben
allzeit nach deinem Sinn,
und wenn wirs sollen geben
in Todes Hände hin,
wenns mit uns hie wird aus,
so hilf uns fröhlich sterben
und nach dem Tod ererben
des ewgen Lebens Haus.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Zeuch ein zu deinen Toren von Paul Gerhardt

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Zeuch ein zu deinen Toren“ von Paul Gerhardt ist eine innige Anrufung des Heiligen Geistes, die in acht Strophen verschiedene Aspekte und Wirkungsweisen des Geistes Gottes hervorhebt. Es ist eine tiefgründige Bitte um dessen Gegenwart, Führung und Trost im Leben der Gläubigen. Das Gedicht zeigt eine enge Verbindung zwischen dem Geist und den Gläubigen, wobei der Geist als Quelle von Erneuerung, Kraft, Lehre, Freude, Liebe, Frieden und schließlich ewiger Hoffnung betrachtet wird.

Die ersten beiden Strophen etablieren die zentrale Bitte: den Eintritt des Heiligen Geistes in das Herz des Gläubigen. Gerhardt beschreibt den Geist als „hochgeliebten Geist“ und bittet ihn, Gast seines Herzens zu sein. Diese Anrufung ist nicht nur eine Einladung, sondern auch eine Anerkennung der Rolle des Geistes bei der geistlichen Wiedergeburt und Errettung. Der Dichter bittet um die Fähigkeit, die Kraft des Geistes zu empfinden und zu schmecken, was auf eine tiefe, erfahrungsbasierte Beziehung hindeutet. Die Bitte um Reinigung von Sünden und die Fähigkeit, Gott mit reinem Geiste zu dienen, unterstreicht die Bedeutung der Heiligung im christlichen Glauben.

In den folgenden Strophen entfaltet Gerhardt verschiedene Eigenschaften des Heiligen Geistes. Er ist ein Geist der Lehre, der hilft, richtig zu beten und dessen Gebete erhört werden. Er ist ein Geist der Freude, der Trost im Leiden spendet und die „Pforten zum goldnen Freudensaal“ öffnet. Besonders hervorgehoben wird der Geist als Geist der Liebe, der Feindschaft überwindet und Einheit stiftet. Diese Aspekte des Geistes werden als Grundlage für ein erfülltes christliches Leben betrachtet, das von Hoffnung, Trost, Freude und Liebe geprägt ist.

Die letzten Strophen weiten den Blick von der individuellen Frömmigkeit auf die Gesellschaft und die Welt aus. Gerhardt bittet um Frieden, Liebe und Einheit in allen Ländern und für die Obrigkeit, die er als Hüter des Volkes ansieht. Er bittet um die Erfüllung der Gemüter mit Glauben, Segen und die Vertreibung des bösen Geistes. Schließlich wird die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ausgedrückt, wobei der Geist als Führer zum ewigen Leben dargestellt wird. Das Gedicht schließt mit dem Wunsch nach einem Leben, das nach dem Willen Gottes ausgerichtet ist, und der Hoffnung auf einen friedlichen Tod und das ewige Leben.

Insgesamt ist das Gedicht ein Gebet um die Gegenwart, Führung und Kraft des Heiligen Geistes im Leben des Gläubigen und der Welt. Es verbindet persönliche Frömmigkeit mit dem Wunsch nach sozialer Harmonie und ewiger Hoffnung, was die umfassende Bedeutung des Heiligen Geistes im christlichen Glauben widerspiegelt. Die klaren Bilder und der einfache, doch eindringliche Stil Gerhards machen das Gedicht zu einem zeitlosen Ausdruck des christlichen Glaubens und der Sehnsucht nach Gottes Nähe.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.