Liebesgedicht
Du warst die Blume Makellos
und ich war wild und wach.
Als deine Iris überfloss,
da gabst du gebend nach.
Ich war die Blume Schmerzenlos
in deinem lichten Duft.
Wir schenkten uns aus Grenzenlos,
aus Erde, Leid und Gruft.
Da wuchs die Blume Morgenrot
an unserer Nächte Saum.
Wir litten eine süße Not
um einen süßen Traum.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Liebesgedicht“ von Wolfgang Borchert ist eine zarte und zugleich tiefgründige Reflexion über eine intensive Liebesbegegnung. In drei Strophen entfaltet sich ein poetischer Dialog zwischen zwei Liebenden, der von gegenseitiger Hingabe, Schmerz und einem geteilten Traum durchdrungen ist. Die Blume fungiert dabei als zentrales Symbol: Sie steht für Reinheit, Verletzlichkeit und das Aufblühen emotionaler Nähe.
In der ersten Strophe wird die Geliebte als „Blume Makellos“ beschrieben – ein Bild für Schönheit, Unschuld und vielleicht auch eine gewisse Unnahbarkeit. Das lyrische Ich beschreibt sich im Kontrast als „wild und wach“, was eine Spannung zwischen Zartheit und Dringlichkeit andeutet. Der Moment der Hingabe wird in der Formulierung „da gabst du gebend nach“ sensibel angedeutet – ein Akt des gegenseitigen Vertrauens und Öffnens.
Die zweite Strophe verkehrt die Perspektive: Nun wird das lyrische Ich zur „Blume Schmerzenlos“, und die Geliebte bringt „lichten Duft“ – Licht, Trost, Wärme. In der gemeinsamen Liebe überwinden beide das Begrenzte und Dunkle („aus Erde, Leid und Gruft“) und schaffen einen Zustand von „Grenzenlos“. Diese Zeile verweist auf eine transzendente Dimension der Liebe, die über das Materielle und Leidvolle hinausreicht.
In der dritten Strophe kulminiert das Gedicht im Bild der „Blume Morgenrot“, die an der Grenze zwischen Nacht und Tag, Dunkelheit und Hoffnung wächst. Sie steht für das Erwachen nach der Liebesnacht, aber auch für einen neuen Anfang. Die Formulierung „süße Not um einen süßen Traum“ drückt die Spannung zwischen Erfüllung und Sehnsucht aus – eine bittersüße Empfindung, wie sie der Liebe eigen ist. Borcherts Sprache bleibt dabei schlicht und musikalisch, ihre Tiefe entfaltet sich in den feinen Gegensätzen und der symbolischen Dichte.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.