Draußen
Das macht das Fenster, dass wir „draußen“ sagen –
und weil wir selber drinnen sind.
Nach draußen muss man schauernd fragen,
denn draußen ist der Wind.
Laternen stehn
schon hundert schwarze Nächte –
und abends, bald nach zehn,
wenn mancher schlafen möchte,
graut wohl die Straße blass
und schweigend aus der Flut
von Seufzern, Stein und Glas.
Nun ist es unser Blut,
das so gewaltig rauscht –
da hält der Wind im Tanz den Schritt,
bleibt manchmal stehn,
als ob er lauscht.
Und die Laternen gehen
noch lange durch die Träume mit.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Draußen“ von Wolfgang Borchert beschreibt die Trennung zwischen dem Innen und dem Außen, wobei das Fenster als symbolische Grenze zwischen diesen beiden Welten fungiert. Der erste Vers – „Das macht das Fenster, dass wir ‚draußen‘ sagen“ – verdeutlicht, dass die Vorstellung von „draußen“ nur durch unsere Position im „Drinnen“ entsteht. Das Fenster ist somit nicht nur ein physisches Objekt, sondern auch ein metaphysisches, das uns von der Außenwelt trennt und zugleich den Zugang zu ihr ermöglicht. Die Zeile „Nach draußen muss man schauernd fragen“ vermittelt ein Gefühl der Unsicherheit und Fremdheit gegenüber der Welt draußen, die durch den Wind symbolisiert wird.
Die zweite Strophe wechselt zu einem düsteren Bild der Nacht. Die „Laternen“ stehen wie Wächter in der Dunkelheit der „hundert schwarzen Nächte“ und scheinen die Leere der Straßen zu beleuchten, die von der „Flut von Seufzern, Stein und Glas“ erfüllt sind. Hier wird die Stadt als ein Ort der Einsamkeit und des Schweigens beschrieben, in dem selbst die Straßen und Gebäude von einer gespenstischen Atmosphäre umhüllt sind. Der Hinweis auf „Seufzer“ verweist auf die Sehnsüchte und das Leid, das in dieser nächtlichen Welt verborgen ist, während „Stein und Glas“ die Unlebendigkeit und Kälte der urbanen Umgebung symbolisieren.
In der dritten Strophe wird das Gedicht persönlicher und intensiver. Es ist nun das „Blut“ des lyrischen Ichs, das „gewaltig rauscht“, was auf eine innere Unruhe oder ein starkes Verlangen hindeutet. Der Wind, der zunächst als fremd und bedrohlich erschien, wird jetzt als ein Teil des eigenen Erlebens wahrgenommen. Die Vorstellung, dass der Wind im Tanz den „Schritt hält“ und „manchmal stehn bleibt, als ob er lauscht“, lässt ihn zu einem Begleiter werden, der auf die inneren Stimmen des Ichs reagiert und die Wahrnehmung der Welt beeinflusst. Diese Metaphorik verstärkt das Gefühl einer tiefen Verbindung zwischen dem Ich und der Außenwelt, die über die bloße Trennung von Innen und Außen hinausgeht.
Am Ende des Gedichts bleibt die „Laterne“ als Symbol der nächtlichen Wanderung durch das Leben, die „noch lange durch die Träume“ mitgeht. Es ist ein Bild der ständigen Begleitung, der Suche nach Licht und Orientierung in der Dunkelheit der eigenen Gedanken und Ängste. Borchert schließt das Gedicht mit einer melancholischen, fast träumerischen Note ab, in der die Außenwelt und die inneren Erfahrungen des lyrischen Ichs miteinander verschmelzen. Das Gedicht reflektiert über das Gefühl von Entfremdung und die Suche nach einem sicheren Ort inmitten der Unsicherheit der Welt.
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Lizenz und Verwendung
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