Wie mans machen muß
Zwei- oder dreimal mußt′ er vor′s Messer,
Dann war er durch und ein Durchschnittsassesser.
Im übrigen war er ein Pfiffikus:
»Eine Spezialität man wählen muß.«
Und endlich hat er sich entschieden:
›Das Durchfahrtsrecht in Krieg und Frieden.‹
Er las dreiunddreißig fremde Werke,
Broschüren wurden seine Stärke.
Traten dann Konferenzen zusammen
Und stand der Streit in hellen Flammen
Und kam′s, daß man keinen Ausweg sah,
So hieß es: »Ist kein Dalberg da?
Warum uns zanken, quälen, schlagen,
Assessor Null wird uns alles sagen.«
Und wirklich, Null wird zugezogen,
Es legen sofort sich des Streites Wogen,
Ein Titel schreitet jetzt vor ihm her,
Null ist schon lange Null nicht mehr.
Jüngstens empfing er den siebenten Orden,
Ist aber drum nicht schöner geworden.
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wie mans machen muß“ von Theodor Fontane ist eine satirische Betrachtung über den gesellschaftlichen Aufstieg und die damit einhergehende Anpassung an die vorherrschenden Machtstrukturen. Der Protagonist, ein „Pfiffikus“, wird von einem unbekannten Mann zu einem „Durchschnittsassesser“ und schließlich zu einer angesehenen Persönlichkeit, indem er sich den Gegebenheiten anpasst und seine Interessen ausrichtet. Fontane kritisiert auf subtile Weise die Mechanismen, die dazu führen, dass jemand Karriere macht, ohne tatsächlich eigene Qualitäten zu besitzen oder etwas Bedeutendes zu leisten.
Der Weg des Protagonisten wird in einer prägnanten und humorvollen Art und Weise dargestellt. Zuerst wird er mehrfach „vor′s Messer“ gezwungen, was vermutlich als Metapher für die notwendigen Prüfungen und Anpassungen an das System verstanden werden kann. Er wählt eine „Spezialität“ und entscheidet sich für das „Durchfahrtsrecht in Krieg und Frieden“, was auf eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit hindeutet. Seine Fähigkeit, sich in den verschiedensten Situationen zu behaupten, wird durch das Lesen von „dreiunddreißig fremden Werke[n]“ und die Nutzung von Broschüren als „Stärke“ angedeutet. Der Protagonist scheint sich das nötige Wissen anzueignen, um in der Lage zu sein, seine Rolle zu spielen.
Der Wendepunkt des Gedichts kommt, wenn der Protagonist in Konferenzen als Problemlöser eingesetzt wird. Wenn es keine Lösung gibt, wird er herangezogen, um „alles zu sagen“. Dies unterstreicht seine Rolle als jemand, der keine eigene Meinung vertritt, sondern sich anpasst und Kompromisse findet, um den Konflikt zu beenden. Durch seine Fähigkeit, die „Streites Wogen“ zu legen, wird er zu einer wichtigen Figur und erhält Auszeichnungen, wie „den siebenten Orden“. Die Ironie liegt darin, dass er trotz all dieser Auszeichnungen „nicht schöner geworden“ ist, was impliziert, dass sein Charakter und seine Werte nicht durch seinen Aufstieg verbessert wurden.
Fontanes Sprachstil ist geprägt von Ironie und Subtilität. Der Reim und die einfache Sprache erleichtern den Zugang zum Gedicht, während die satirische Komponente durch die Wahl der Worte und die beschriebenen Handlungen deutlich wird. Der Autor gibt keine direkten Werturteile ab, sondern lässt den Leser durch die Schilderung der Ereignisse und die Verwendung von humorvollen Formulierungen selbst urteilen. Die Bedeutung des Gedichts liegt in der Kritik an den Mechanismen der Gesellschaft, die den Aufstieg von Personen begünstigen, die sich den gegebenen Umständen anpassen und keine eigenen Werte oder Qualitäten besitzen. Es ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, das die Oberflächlichkeit und das Streben nach Macht und Ansehen kritisch hinterfragt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.