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Wetterregeln des Bunten Vogels

Von

(Meinem Vater und meiner Mutter.)

Januar
An Fabian und Sebastian
Geh in den Keller, dreh auf den Hahn.

Februar
Wenn es um Lichtmeß stürmt und tobt,
Sei Grogk und Punsch gleich hochgelobt.

März
Gute Dinge sind Märzen-Ferkel und Märzen-Fohlen,
Aber die meisten Märzlieder soll der Kuckuck holen.

April
So lange die Dichter schweigen vor Georgi und Markustag
So lange dichten sie hernach.

Mai
Warmer Mai:
Viel Stroh und Heu;
Ein paar Gedichte sind auch dabei.

Juni
Das erste Wetter brüllt,
Die erste Rose lacht,
Nun, bitt ich, Menschenkind,
Ein klar Gesicht gemacht!

Juli
Magdalene, Margarethe
Weinen gern allebeede.
Brauchst dir nichts daraus zu machen;
Andre Mädel giebts, die lachen.

August
Kräht der Dichter auf dem Mist,
Nennt er sich feierlich Naturalist,
Aber das Wetter bleibt doch, wies ist.

September
An Mariä Geburt
Fliegen die ersten Schwalben furt,
Aber am Geburtstag der lieben Frau
Werden auch die ersten Trauben blau.

Oktober
Nach dem Tag Sankt Gall
Bleib die Kuh im Stall,
Nach dem Tag Lukas
Bleib der Mann am Faß.

November
Sankt Martin:
Feuer im Kamin;
Nun singe mit Luthern:
Laß fahren dahin!

Dezember
Eis hängt an den Weiden,
So ists an der Zeit.
Hat sichs ausgeschneit,
Wirst du Palmen schneiden.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Wetterregeln des Bunten Vogels von Otto Julius Bierbaum

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wetterregeln des Bunten Vogels“ von Otto Julius Bierbaum ist eine charmante und spielerische Auseinandersetzung mit den Jahreszeiten, verknüpft mit volkstümlichen Wetterweisheiten und einem humorvollen Blick auf das Dichtertum. Es ist in zwölf Abschnitte unterteilt, jeder einem Monat gewidmet, und folgt einem einfachen Reimschema, das an traditionelle Kinderreime oder Sprichwörter erinnert. Die Verwendung von Namen von Heiligen und Festtagen, wie Fabian und Sebastian im Januar oder Sankt Martin im November, verleiht dem Gedicht eine zusätzliche, fast zeremonielle Ebene.

Bierbaum verwendet die Wetterregeln nicht nur als bloße Wettervorhersagen, sondern auch als Ausgangspunkt für humorvolle Beobachtungen und versteckte Anspielungen. Im März werden beispielsweise die „meisten Märzlieder“ dem Kuckuck gewünscht, was eine leichte Kritik an der Überfülle an Frühlingslyrik andeutet. Im August karikiert der Dichter sich selbst, indem er das Bild des Dichters auf dem Misthaufen als „Naturalist“ darstellt, und unterstreicht damit die Diskrepanz zwischen der Kunst und den unaufhaltsamen Naturgesetzen. Diese ironische Distanzierung vom eigenen Schaffen ist typisch für Bierbaums Werk.

Der Stil des Gedichts ist leicht und zugänglich, was durch die Verwendung einfacher Reimschemata und Alltagssprache verstärkt wird. Die Verse sind kurz und prägnant, was den Eindruck von direkter, unkomplizierter Kommunikation erweckt. Die Anspielungen auf traditionelle Bräuche und die Verwendung von Namen von Heiligen erzeugen eine Vertrautheit, die den Leser einlädt, sich in die Welt des Gedichts hineinzufühlen. Die Verwendung von Anweisungen wie „Geh in den Keller, dreh auf den Hahn“ im Januar oder „Nun singe mit Luthern: / Laß fahren dahin!“ im November, verstärkt den spielerischen Charakter des Gedichts.

Insgesamt ist das Gedicht ein fröhlicher und unbeschwerter Blick auf die Jahreszeiten, der mit einem Augenzwinkern die Welt der Natur und der menschlichen Erfahrung verbindet. Bierbaum versteht es, die Tradition der Wetterregeln auf humorvolle Weise zu nutzen, um eine persönliche und unterhaltsame Interpretation des Jahreslaufs zu schaffen. Es ist ein Gedicht, das von einem warmherzigen Humor und einer tiefen Verbundenheit mit der Natur geprägt ist und das gleichzeitig eine subtile Kritik an der manchmal übertriebenen Ernsthaftigkeit der Kunst beinhaltet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.