Wechsel der Welt
Die Welt ist nimmer geblieben
Die herrliche Welt des Homer,
Die Götter sind längst vertrieben,
Gestürzt sind die Tempel ins Meer.
Verschollen die heiligen Lieder,
Verwirbelt der Opferrauch,
In Hohn und Gespött darnieder
Gebrochen der Priester Brauch.
Nicht betende Völker mehr wallen
Zu schimmernden Säulenreihn,
Den hohen Olympiern allen
Geschmückte Geschenke zu weihn.
Die Himmlischen mußten erliegen
In toller Jahrhunderte Kampf,
Es schwelgt in Trophäen und Siegen,
Es herrscht: der allmächtige Dampf.
Es sausen die Hämmer und dröhnen
Auf Silber, auf Gold und auf Blei,
Maschinen rasseln und stöhnen
gellendes Einerlei.
Kaum kann der Donner dringen
Durch all der Fabriken Gebraus,
Und Lieder und Glockenklingen
Verschwimmen im Rädergesaus.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wechsel der Welt“ von Oskar Jerschke zeichnet ein Bild des tiefgreifenden Wandels, der die Welt von der Antike zur Moderne durchlaufen hat. Es beginnt mit einer nostalgischen Rückschau auf die „herrliche Welt des Homer“, in der Götter und Tempel eine zentrale Rolle spielten. Der Dichter stellt einen klaren Gegensatz dar zwischen der vergangenen, von Mythen, Ritualen und ästhetischer Schönheit geprägten Welt und der Gegenwart, die durch den „allmächtigen Dampf“ und die Dominanz der Technik charakterisiert ist.
In den ersten Strophen werden die klassischen Elemente wie die Götter, die heiligen Lieder, der Opferrauch und die Tempel, die das Fundament der antiken Welt darstellten, als zerstört und verschwunden dargestellt. Die „Götter sind längst vertrieben“, die Tempel „gestürzt ins Meer“, die Lieder „verschollen“, und der „Priester Brauch“ gebrochen. Diese Bilder der Zerstörung und des Verlustes unterstreichen den tiefgreifenden Wandel, der stattgefunden hat. Die einst verehrten Olympier werden durch die Industrialisierung und den Fortschritt aus ihrer Position verdrängt.
Die zweite Hälfte des Gedichts wechselt zum Bild der modernen Welt, in der die Industrialisierung das Zepter schwingt. Die „Hämmer und dröhnen“, die „Maschinen rasseln und stöhnen“, und das „Rädergesaus“ dominieren die Szenerie. Der Lärm der Fabriken und der Maschinen übertönt selbst den Donner und die Musik, wodurch der Einzug der modernen Technik, das Ende von traditionellen Werten und die Veränderungen im sozialen Leben verdeutlicht werden. Die beschriebene Welt wirkt laut, mechanisch und seelenlos, im Kontrast zur Ruhe und Erhabenheit der antiken Welt.
Jerschke verwendet eine klare, wenn auch etwas pathetische Sprache, um den Kontrast zu verdeutlichen. Die Verwendung von Reimen und rhythmischen Mustern unterstützt die melancholische Stimmung des Gedichts. Der Dichter scheint die Nostalgie nach der vergangenen Welt zu betonen, jedoch ohne die Fortschritte und Veränderungen der Moderne gänzlich zu verurteilen. Es ist eine Reflexion über den Verlust, aber auch eine Auseinandersetzung mit der Realität des Wandels. Das Gedicht ist ein eindringliches Zeugnis für den Wandel der Werte und der Weltanschauung, der durch die Industrialisierung ausgelöst wurde.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.