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Was ist die Liebe denn?

Von

1. Frage

»Was ist die Liebe denn?« – »Was ist das Leben?«
Mag es zurück als Gegenfrage hallen –
So lang kein Liebesstrahl darauf gefallen,
Ist’s eines Chaos nebelhaftes Weben.

Siehst Du die Sonne leuchtend sich erheben
Und alle Nebel schwindend niederwallen?
Hörst Du der Lerche Morgensang erschallen
Und siehst sie jubelvoll gen Himmel schweben?

Willst Du ihr folgen in das Licht der Sonnen?
Willst Dich mit ihr im blauen Aether wiegen,
Bis Deinem Blick die Erde ganz zerronnen?

Wohl ist die Lieb‘ solch jubelnd Aufwärtsfliegen,
Doch – daß der Himmel für das Herz gewonnen:
Das ist der Gottheit Zeichen, drinn wir siegen!

2. Antwort

Weil nun die Lieb‘ mir alle, alle Poren
Des Herzens füllt, weil sie mich ganz durchdrungen
Fragst Du: ob ich noch gern wie sonst gesungen,
Da ich alleinzig mich der Kunst verschworen?

Die Liebe, die mich also ganz erkoren,
Wähnst Du, hab‘ wie ein starker Geist bezwungen
Den guten Genius mit Feuerzungen,
Der früher einzog zu der Seele Thoren?

Ein Engel ist sie, der vom Himmel kommen,
Die sel’ge Offenbarung mir zu bringen:
Lieb‘ und Gesang sind ewig eins geblieben.

Und einer Täuschung hat er mich entnommen:
Sonst wußte ich von Liebe nur zu singen,
Jetzt sing‘ ich, weil ich innig weiß zu lieben.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Was ist die Liebe denn? von Louise Otto-Peters

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Was ist die Liebe denn?“ von Louise Otto-Peters entfaltet in zwei Teilen, Frage und Antwort, eine tiefgründige Reflexion über die Natur der Liebe und ihre transformative Kraft. Im ersten Teil wird die Liebe zunächst als existenzielle Notwendigkeit dargestellt, die das Leben erst in seiner Fülle und Sinnhaftigkeit erfahrbar macht. Die rhetorische Frage nach der Liebe wird mit einer Gegenfrage nach dem Leben beantwortet, wodurch die untrennbare Verbindung von beidem betont wird. Ohne die Liebe, so die Metapher, ist das Leben ein „Chaos nebelhaftes Weben“, ein Zustand der Unklarheit und Orientierungslosigkeit.

Die Natur dient als zentrales Bild, um die positiven Auswirkungen der Liebe zu verdeutlichen. Die aufgehende Sonne, der Gesang der Lerche und das Aufsteigen in den Himmel symbolisieren die Erleuchtung, die Freude und das Aufblühen, das durch die Liebe ermöglicht wird. Der Wunsch, diesen positiven Aspekten zu folgen und sich mit ihnen zu identifizieren, wird ausgedrückt, wodurch die Liebe als eine Kraft dargestellt wird, die den Menschen über sich selbst hinaushebt und ihn in eine höhere Sphäre, in den „blauen Aether“ der Harmonie, entführt. Der Höhepunkt dieser Darstellung ist die Erkenntnis, dass das „Siegen“ des Herzens in der Liebe ein Zeichen der Gottheit ist, wodurch die Liebe als etwas Göttliches und Unendliches etabliert wird.

Im zweiten Teil des Gedichts, der Antwort, wird die persönliche Erfahrung der Autorin mit der Liebe in den Mittelpunkt gerückt. Die Liebe wird hier als eine allumfassende Kraft beschrieben, die alle Poren des Herzens erfüllt und die gesamte Existenz durchdringt. Die Autorin reflektiert über die Veränderung, die die Liebe in ihrem Leben bewirkt hat, insbesondere in Bezug auf ihre Kunst. Im Gegensatz zu vorheriger Annahme, die Kunst als einzige Inspirationsquelle zu sehen, stellt sich nun heraus, dass die Liebe diese Rolle eingenommen hat.

Die Metapher des Engels, der vom Himmel kommt, um eine „sel’ge Offenbarung“ zu bringen, unterstreicht die transformative Wirkung der Liebe. Liebe und Gesang werden als untrennbar verbunden dargestellt, wodurch die Autorin ihre eigene künstlerische Praxis als Ausdruck der Liebe betrachtet. Die Liebe ist nicht nur eine Inspirationsquelle, sondern auch die Grundlage für ein authentisches, tiefes Verständnis der Kunst. Durch die Liebe ist die Autorin von einer bloßen Kenntnis über die Liebe zum tiefen Wissen über die Liebe gelangt. Damit ist das Gedicht nicht nur eine Reflexion über die Liebe, sondern auch ein Bekenntnis zur Kraft der Liebe, die die Welt des Dichters transformiert hat und ihm ermöglicht, mit neuer Tiefe und Authentizität zu singen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.