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Wartelohn

Von

Morgenjunge Herrlichkeit,
Hell die Welt und frisch der Wind,
Wartend klopft mein Herz geschwind -:
Eine Minute schon über der Zeit!
Ach, wie oft schon sagt ichs, Kind:
Pünktlichkeit!
Und ich spähe augenweit,
Und ich schaue fast mich blind,
Ist das Mädel nicht gescheidt?
Zehn Minuten schon über der Zeit!
Soll ich eine Ewigkeit
Warten und sehnen!? – Langsam rinnt
Der Minuten Folge, breit
Wie ein Theerstromm. – Zeit, oh Zeit!
Deine Minuten wie Stunden sind! …
Sieh, da flattert ihr blaues Kleid,
Flattert im Wind!
Alles Warten ist verwunden,
Hat sich Mund auf Mund gefunden,
Blick in Blick sich eingesenkt.
Dehnten jetzt sich die Sekunden
Wärs kein Umstand, der uns kränkt,
Da der Wind mit leisem Neigen
Ein Panier aus Frühlingszweigen
Ueber unsren Küssen schwenkt.

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Gedicht: Wartelohn von Otto Julius Bierbaum

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wartelohn“ von Otto Julius Bierbaum handelt von der Ungeduld und den sehnsüchtigen Erwartungen eines Mannes, der auf seine Geliebte wartet. Die ersten Strophen beschreiben die zunehmende Nervosität und das Ärgernis über die Verspätung des Mädchens. Die Freude und Erleichterung über das Erscheinen der Geliebten und der darauffolgende Kuss lassen die anfängliche Ungeduld und die gefühlte lange Wartezeit gänzlich vergessen.

Die Struktur des Gedichts spiegelt diesen Verlauf wider. In den ersten beiden Strophen dominieren die kurzen, ungeduldigen Sätze und die Betonung der Zeit. Der Einsatz von Ausrufezeichen und die wiederholte Frage nach der Pünktlichkeit unterstreichen die innere Unruhe des Wartenden. Die Metapher des „Theerstromm“ für die quälend langsam vergehende Zeit verdeutlicht die subjektive Wahrnehmung des Wartenden.

Der Wendepunkt des Gedichts wird durch das Erscheinen des Mädchens markiert. Abrupt wird die ungeduldige Grundstimmung aufgelöst. Die Welt wird nun durch die Brille der Verliebtheit betrachtet. Der Kuss und die innige Vereinigung lassen die Zeit als unbedeutend erscheinen, sodass die ehemals langen Minuten nun keine Rolle mehr spielen. Der Wind, der zuvor als lästiges Element erscheinen mochte, wird nun als romantischer Begleiter und Zeuge des Glücks wahrgenommen.

Bierbaum verwendet eine einfache, eingängige Sprache, die die Gefühle des lyrischen Ichs direkt vermittelt. Die Verwendung von Reimen und die rhythmische Gestaltung unterstützen die emotionale Intensität des Gedichts. Die Naturbilder, wie das „blaue Kleid“ und der „Wind mit leisem Neigen“, dienen als Kulisse für die Liebesszene und verleihen dem Gedicht eine idyllische Atmosphäre. Das Gedicht ist somit eine kleine Liebeserklärung, die das Glück des Wiedersehens und die Macht der Liebe über die Zeit zelebriert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.