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Vision 1

Von

Der schwarze Himmel bleckt zerfreßne Zähne
Auf Splitter-Tanz in wogendem Gefild.
Am Horizont sträubt Bajonetten-Mähne

Sich zackig aufwärts. Donnernd birst der Schild
Gebäumten Hügels. Aus den Feuer-Ritzen
Erheben warmen Blutes Düfte mild

Schwankende Häupter. Angesichter blitzen
Emporgekreiselt maskenhaft im Schaume.
Verkohlte Leichen (Vogelscheuchen) sitzen

Am Rein versammelt unter dürrem Baume,
Die Sterne springen toll in Wolken-Lücken.
Verschlafne schreien auf aus bösem Traum.

Dunstige Täler speien Feuer-Tücken. –
„O wandle über Meere, Geist des Christ!
Die Wahnsinn-Nacht im Zorne zu zerstücken!“

„Wer sagt das Große, das im Herzen ist,
Da noch verfluchte Macht in Allen lauert?
Da du noch fern in armen Winkeln bist!“

Wir sind gewürgt! und Aug und Ohr vermauert!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Vision 1 von Walter Rheiner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vision 1“ von Walter Rheiner stellt eine düstere und apokalyptische Szene dar, die sowohl inhaltlich als auch formal von Gewalt, Zerstörung und der Vorstellung einer Welt im Chaos geprägt ist. Zu Beginn des Gedichts wird ein „schwarzer Himmel“ beschrieben, der „zerfressene Zähne“ bleckt, was die Bedrohung und Zerstörungskraft des Himmels symbolisiert. Die Szene wird von einem „Splittertanz in wogendem Gefild“ begleitet, was die Unruhe und das zerstörerische Durcheinander verstärkt. Die gewaltsame und chaotische Atmosphäre wird durch die bildhafte Sprache und die düstere Symbolik der Zähne und des Splitterns vermittelt, was auf den Zerfall und das Unheil hinweist, das über die Welt hereingebrochen ist.

Der Horizont wird durch die „Bajonetten-Mähne“ dargestellt, die „sich zackig aufwärts sträubt“. Diese Bildsprache evoziert das Bild eines militärischen Konflikts oder eines Krieges, wobei „Bajonetten-Mähne“ die scharfen und gefährlichen Waffen symbolisiert. Der „donnernde Schild“ und das „Birsten“ des Hügels betonen den gewaltsamen Widerstand, der in der Szenerie präsent ist. Aus den „Feuer-Ritzen“ strömen „Düfte mild“, die ironisch in ihrer Milde erscheinen und eine fast perverse, düstere Schönheit inmitten des Chaos widerspiegeln. Dies stellt eine Verbindung zwischen Zerstörung und einer seltsamen, sinnlichen Wahrnehmung der Umwelt dar.

Die „schwankenden Häupter“ und „maskenhaft im Schaume“ aufblitzende Angesichter verstärken das Bild einer verwirrten, von Schmerz und Angst gezeichneten Menschheit. Die „verkohlten Leichen“, die wie „Vogelscheuchen“ unter einem „dürrem Baum“ sitzen, verstärken das Bild von Verfall und Tod. Die Leichen, die sich wie leere Hüllen in der Landschaft befinden, verweisen auf die Vernichtung von Leben und Hoffnung, während die „Vogelscheuchen“ als symbolische Repräsentationen von etwas Totem und Nutzlosem erscheinen. Inmitten dieser Szenerie scheint die Welt selbst in einer Art von Zerrspiegel des Wahnsinns zu existieren.

Die „Sterne“, die „toll in Wolken-Lücken springen“, verstärken das Bild der Verwirrung und der ziellosen Bewegung. Die Sterne, die normalerweise als Symbole der Hoffnung und Orientierung gelten, erscheinen hier chaotisch und unberechenbar. Der „dunstige Tal“ speit „Feuer-Tücken“, was auf die ständige Gefahr und den trügerischen, zerstörerischen Charakter der Situation hinweist. Inmitten dieser dramatischen und gewaltsamen Welt wird der Ruf laut: „O wandle über Meere, Geist des Christ!“, was eine mystische und religiöse Dimension in das Gedicht einführt. Der „Geist des Christ“ soll in dieser apokalyptischen Szenerie die wahnsinnige Nacht zerstückeln und Erlösung bringen. Dies könnte eine Anspielung auf die christliche Vorstellung von der Erlösung durch Christus in Zeiten der Dunkelheit und des Chaos sein.

Die abschließende Zeile – „Wir sind gewürgt! und Aug und Ohr vermauert!“ – bringt die Verzweiflung und das Gefühl der Ohnmacht zum Ausdruck. Die Sprecher sind sowohl physisch als auch geistig in ihrer Wahrnehmung eingeschränkt, was ihre Hilflosigkeit in dieser Welt des Wahnsinns und der Zerstörung unterstreicht. Das Gedicht endet auf einer düsteren und verzweifelten Note, wobei der Ruf nach Erlösung durch den „Geist des Christ“ gleichzeitig eine Reflexion über den Zustand der Welt und die drängende Notwendigkeit für Veränderung darstellt. Es ist ein eindrucksvolles Bild von Chaos, Krieg und der Sehnsucht nach einer höheren göttlichen Ordnung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.