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Trauer

Von

Die Straße seufzt. Schattende Winde hocken
nieder auf Plätzen. Bronzene Plätze weinen
über den Abend hin, der aus blauer Ferne gleitet
Wolke schmilzt in der Frauen sterbenden Locken.
Leise wankt das verhangene Haus. Aus dem reinen
Äther sinkt ein zerfallender Mond herab. Und breiter
dampft der Atem der Stadt. Es tropft
Nacht, ein fremdes Meer, das an die Fenster klopft.

Wir sind begraben. Schwarz und mit Erde gefüllt
starrt unser Mund. Das haar, Traube
bitteren Trankes voll, ist verwelkt und tot.
Schon nahet die letzte Stunde, die uns in Kälte hüllt.
Wir hören den Klang der Gestirne nicht mehr. Blinde wir, Taube.

Wir fühlen das Blut nicht mehr. Verblaßt ist sein Rot.
Niedergestürzt, zersprungene Säulen, über Trümmern liegen
Trümmer wir selbst im Feld. Doch über uns hin zahllose
Schwärme schreiender Vögel fliegen…

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Trauer von Walter Rheiner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Trauer“ von Walter Rheiner vermittelt in düsteren, bildhaften Ausdrücken den Eindruck eines kollektiven und existenziellen Verlustes. Der Beginn des Gedichts zeigt eine lebendige, fast greifbare Traurigkeit in der Beschreibung der Straße, die „seufzt“, und der „schattenden Winde“, die sich auf den Plätzen niedergelassen haben. Diese Bilder der Stadt sind von einer melancholischen Stimmung durchzogen, wobei der „bronzenen Platz“ und der „zerfallende Mond“ eine Atmosphäre von Verfall und Vergänglichkeit schaffen.

Das Gedicht thematisiert in seiner zweiten Strophe den Zustand der „Begrabung“, sowohl im physischen als auch im metaphysischen Sinne. Der „schwarze“ und „mit Erde gefüllte“ Mund sowie das „verworfene Haar“ symbolisieren den physischen Tod, der von einer gewissen Leere und Ohnmacht begleitet wird. Die Vorstellung, dass „wir“ in einem Zustand der Erstarrung verharren, zeigt den Verlust jeglicher Lebensenergie und der Verbindung zur Welt. Es ist ein Bild des Verblasstseins und des Vergehens.

Der Übergang zur „letzten Stunde“ und die Beschreibung von „blinden“ und „tauben“ Wesen unterstreichen das Gefühl der Entfremdung und des inneren Erblindens. Die „zerfallenden Säulen“ und „Trümmer“ verstärken das Bild der Zerstörung, während die „Schwärme schreiender Vögel“ als Symbol für das unausweichliche und quälende Ende wirken. Diese Vögel könnten die letzten Rufe der Trauer oder die Wiederholung der Unabwendbarkeit des Schicksals darstellen.

Insgesamt behandelt das Gedicht das Thema der Trauer und des Verlustes mit einer düsteren und resignativen Sprache. Der Mensch erscheint hier als ein Wesen, das sich nicht nur vom Leben selbst entfremdet hat, sondern dessen Existenz in der Endgültigkeit des Todes auch vom Unverständnis der Welt um ihn herum begleitet wird. Die eindrucksvolle Bildsprache und die melancholischen Metaphern lassen die Trauer wie eine unaufhaltsame, alles verschlingende Kraft wirken.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.