Über die Wiege eines Kindes
Madrigal
Du schläfst in Ruh, und bildest dir nicht ein,
Die kleine Wiege werde
Auf dieser schnöden Erde,
Das Vorbild deines größren Schicksals seyn.
Die Wiege wirft dich hin und her:
So wirst Du auch nach mehren Jahren
Des Schicksals Spielwerk wohl erfahren.
Es wird sich stets bemühn,
Dich öfters hin und her zu ziehn.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Über die Wiege eines Kindes“ von Sidonia Hedwig Zäunemann ist eine Reflexion über das Leben und die Vergänglichkeit des Menschen, verpackt in einer Madrigalform. Es nimmt die schlummernde Ruhe eines Kindes in seiner Wiege als Ausgangspunkt, um eine allegorische Verbindung zum späteren Leben und den unberechenbaren Kräften des Schicksals herzustellen. Die scheinbare Unbekümmertheit des Kindes, das sich der kommenden Lebenswirklichkeit noch nicht bewusst ist, wird in Kontrast zur späteren Erfahrung des Menschen gesetzt, der durch das Schicksal hin- und hergeworfen wird.
Der erste Vers, „Du schläfst in Ruh, und bildest dir nicht ein“, etabliert eine klare Dichotomie zwischen der kindlichen Unschuld und der zukünftigen Lebensrealität. Das Kind ahnt noch nichts von den Herausforderungen und Prüfungen, die das Leben bereithält. Die „kleine Wiege“ wird als Vorbote des „größren Schicksals“ gesehen, was eine Metapher für die umfassenderen Lebensumstände und die unaufhörlichen Einflüsse von außen darstellt, denen der Mensch ausgesetzt ist. Die Formulierung impliziert eine gewisse Melancholie, ein Gefühl der Überlegenheit über die kindliche Naivität und das Wissen um die unvermeidliche Veränderung.
Der zweite Teil des Gedichts verstärkt die Metapher des Lebens als Spielball des Schicksals. Die Wiege, die das Kind hin- und herwirft, wird zum Sinnbild für die Schwankungen und Unbeständigkeit des Lebens. Der Ausdruck „Des Schicksals Spielwerk“ unterstreicht die Vorstellung, dass der Mensch oft den Umständen ausgeliefert ist und wenig Kontrolle über seinen Weg hat. Das wiederholte „hin und her zu ziehn“ suggeriert eine ständige Bewegung und Unruhe, die den Alltag des Menschen prägt.
Die Kürze des Gedichts, seine klare Struktur und die einfache Sprache, die durch die Wiederholung verstärkt wird, tragen zur Wirkung der Botschaft bei. Zäunemann gelingt es, eine tiefe philosophische Frage über das menschliche Dasein in wenigen Versen zu formulieren. Die Botschaft ist ernüchternd, aber nicht hoffnungslos. Sie erinnert uns an die Unvermeidlichkeit von Veränderungen und die Herausforderungen, denen wir uns im Laufe unseres Lebens stellen müssen. Das Gedicht mahnt uns, uns der Unbeständigkeit des Lebens bewusst zu sein und gleichzeitig die Ruhe und Unbeschwertheit der Kindheit zu bewahren, bevor die Stürme des Schicksals auf uns hereinbrechen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.