Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.

Turner-Marsch

Von

(Melodie: Leise flehen meine Lieder)

Schlagt die Pauken und Trompeten,
Turner in die Bahn!
Turnersprache laßt uns reden.
Vivat Vater Felix Dahn!
Laßt uns im Gleichschritt aufmarschieren,
Ein stolzes Regiment.
Laß die Fanfaren tremulieren!
Faltet die Fahnen ent!

Die harte Brust dem Wetter darzubieten,
Reißt die germanische Lodenjoppe auf!
Kommet zu Hauf!
Wir wollen uns im friedlichen Wettkampf üben.

Braust drei Hepp-hepps und drei Hurras
Um die deutschen Eichenbäume!
Trinkt auf das Wohl der deutschen Frauen ein Glas,
Daß es das ganze Vaterland durchschäume.
Heil! Umschlingt euch mit Herz und Hand,
Ihr Brüder aus Nord-, Süd- und Mitteldeutschland!
Daß einst um eure Urne
Eine gleiche Generation turne.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Turner-Marsch von Joachim Ringelnatz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Turner-Marsch“ von Joachim Ringelnatz ist eine Parodie auf das patriotische Gedankengut und die militärisch anmutenden Rituale des Turnvereinswesens in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ringelnatz, bekannt für seinen ironischen Humor, nimmt die übertriebenen Gesten und den Pathos der Turnerbewegung aufs Korn.

Das Gedicht beginnt mit dem Aufruf zu einem Marsch, begleitet von Pauken und Trompeten, und zitiert im ersten Vers sogar eine bekannte Melodie. Die Verwendung von Formulierungen wie „Turnersprache“ und der Lobgesang auf „Vater Felix Dahn“ (einen Historiker und Unterstützer der Turnbewegung) karikiert die Verehrung von Tradition und Autoritäten. Die Aufforderung, im Gleichschritt zu marschieren und die Fahnen zu entfalten, spielt auf die militaristische Ästhetik an, die in der Turnerbewegung nicht selten anzutreffen war.

Im zweiten Teil des Gedichts wird der sportliche Aspekt des Turnens durch die Betonung der „harten Brust“ und des „friedlichen Wettkampfs“ hervorgehoben, wobei das Bild des „germanischen“ Körpers mit der „Lodenjoppe“ verspottet wird. Die lauten „Hepp-hepps“ und „Hurras“, die dem Gedicht folgen, sind typische patriotische Sprechchöre, die Ringelnatz hier ironisch einsetzt, um die überbordende Begeisterung der Turner zu parodieren. Die Anspielung auf die „deutschen Eichenbäume“ und der Trinkspruch auf die „deutschen Frauen“ verstärken diesen Eindruck.

Der abschließende Appell zur Einheit und Brüderlichkeit, „Umschlingt euch mit Herz und Hand, / Ihr Brüder aus Nord-, Süd- und Mitteldeutschland!“, scheint zunächst ernst gemeint, wird aber durch die Verwendung von Pathos und die Erwähnung einer zukünftigen Generation, die um die Urne der Turner „turne“, ins Absurde gezogen. Ringelnatz entlarvt somit die idealistische Selbstinszenierung der Turner und zeigt ihre Neigung zur Übertreibung und zur Selbstdarstellung. Durch seinen feinen Humor und die spielerische Verwendung von Sprache und Stilmitteln gelingt es ihm, die Verehrung von Nationalismus und Tradition zu entlarven.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.