Nenn′ ich dich einen Hero′n? Hast du nicht den rohen Barbaren,
Hast du das goldene Vließ ihnen der Kunst nicht geraubt?
Wahrlich, du mußtest′s zuvor, und eine Zauberin half dir,
Denn wie hättest du sonst Jason der Nachwelt geschenkt?
Thorwaldsen (5)
Mehr zu diesem Gedicht
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Thorwaldsen (5)“ von Wilhelm Friedrich Waiblinger ist eine kurze, aber eindringliche Würdigung des Bildhauers Bertel Thorvaldsen und seiner künstlerischen Leistungen. Es beginnt mit einer rhetorischen Frage, die sofort die Größe und den Heldenmut des Künstlers hervorhebt. Der Autor fragt, ob Thorvaldsen als „Hero’n“ bezeichnet werden kann, wodurch eine bewusste Parallele zur antiken Heldengestalt gezogen wird.
Die zweite Zeile vertieft diese Analogie, indem sie Thorvaldsen als jemanden darstellt, der den „rohen Barbaren“ das „goldene Vließ“ der Kunst „geraubt“ hat. Diese Metapher evoziert das Bild des Argonauten Jason, der das goldene Vlies aus Kolchis stahl. Hier wird die Kunst als ein kostbares Gut dargestellt, das Thorvaldsen den „Barbaren“ – wahrscheinlich ein Hinweis auf die Unwissenden oder diejenigen, die die Kunst nicht würdigen – entrissen hat. Dies impliziert die Idee, dass Thorvaldsen die Kunst aus einer Welt der Dunkelheit und Unkultur in eine Welt der Erkenntnis und Schönheit geführt hat.
Die dritte Zeile deutet auf einen mystischen Aspekt hin: „Wahrlich, du musstest’s zuvor, und eine Zauberin half dir“. Diese Zeile verstärkt die mythische Dimension der Darstellung, indem sie Thorvaldsens Fähigkeiten mit einem Akt des Übernatürlichen verbindet. Die „Zauberin“ könnte eine Muse oder eine Allegorie für die Inspiration sein, die dem Künstler zugrunde liegt. Sie deutet darauf hin, dass Thorvaldsens außergewöhnliche Fähigkeiten nicht nur auf Talent, sondern auch auf eine besondere, möglicherweise göttliche, Führung zurückzuführen sind.
Der Schlusssatz, „Denn wie hättest du sonst Jason der Nachwelt geschenkt?“, bestätigt die vorherige Wertschätzung und kehrt zum Thema der Heldengestalt zurück. Thorvaldsens Fähigkeit, Jason, eine Figur der griechischen Mythologie, darzustellen, wird als Beweis für seine Größe und seinen Einfluss angesehen. Das Gedicht feiert somit Thorvaldsen als einen Künstler, der die Kunst erobert, sie vor dem Vergessen bewahrt und sie der Nachwelt schenkt, wodurch er selbst in die Reihe der Helden eintritt. Die Kürze des Gedichts verstärkt die Wirkung, indem sie eine konzentrierte Huldigung bietet, die die Essenz von Thorvaldsens Größe erfasst.
Weitere Informationen
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
