Weihnachtslied
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Weihnachtslied“ von Theodor Storm beschreibt auf poetische Weise die weihnachtliche Atmosphäre und die damit verbundenen Gefühle von Frieden und Wunder. Die erste Strophe beginnt mit dem Bild eines „milden Sterns“, der aus den „tiefsten Klüften“ herniederlacht, was eine sanfte und wohltuende Lichtquelle in der Dunkelheit darstellt. Die „Tannenwälder“, deren Düfte „durch die Winterlüfte“ wehen, und die „kerzenhelle Nacht“ verstärken das Bild einer festlich erleuchteten, besinnlichen und nahezu magischen Weihnachtsnacht.
In der zweiten Strophe wird der Sprecher von einer tiefen Freude erfüllt, die gleichzeitig mit einer leichten Erschütterung verbunden ist, was in der Formulierung „mein Herz so froh erschrocken“ zum Ausdruck kommt. Diese Freude, die eine Mischung aus heiligem Staunen und kindlicher Erwartung ist, wird durch das ferne Läuten der „Kirchenglocken“ symbolisiert, das den Sprecher „heimatlich verlockt“. Der Klang der Glocken ruft Erinnerungen an eine heile, vertraute Welt hervor und führt den Leser in eine „märchenstille Herrlichkeit“. Diese Vorstellung einer weihnachtlichen Idylle, die den Sprecher in den Bann zieht, weckt Assoziationen von Geborgenheit und Wärme.
Die dritte Strophe beschreibt die Wirkung der Weihnachtstraditionen auf den Sprecher, der sich von einem „frommen Zauber“ ergriffen fühlt. Es ist ein Moment des Staunens und der Andacht, in dem er „anbetend, staunend“ vor der weihnachtlichen Szenerie verweilt. Das Bild des „goldnen Kindertraums“, der über seine Augen sinkt, weist auf eine kindliche Unschuld und das mystische Gefühl hin, dass an Weihnachten etwas Außergewöhnliches und Wunderbares geschieht. Dieser „Zauber“ und das Empfinden eines „Wunders“ unterstreichen das Gefühl der Transzendenz und des Feierns einer höheren Wahrheit, die an diesem besonderen Fest erlebbar wird.
Storms Gedicht transportiert eine tiefe, religiös-mentale Erfahrung des Weihnachtsfestes, das von einer Atmosphäre des Staunens, des Geborgenseins und des spirituellen Erhebens geprägt ist. Die Bildsprache und die Musik der Worte schaffen eine fast surreal wirkende Stimmung, die den Leser in die Ruhe und Magie dieser besonderen Zeit entführt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.