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Sprüchlein der Regentrude

Von

Dunst ist die Welle,
Staub ist die Quelle!
Stumm sind die Wälder,
Feuermann tanzet über die Felder!

Nimm dich in acht!
Eh du erwacht,
Holt dich die Mutter
Heim in die Nacht!

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Gedicht: Sprüchlein der Regentrude von Theodor Storm

Kurze Interpretation des Gedichts

Das „Sprüchlein der Regentrude“ von Theodor Storm ist ein zauberhafter, zugleich unheilvoll klingender Vers aus dem Kunstmärchen Die Regentrude. Es besitzt den Charakter eines Beschwörungs- oder Warnspruchs, der in dichter, bildhafter Sprache eine bedrohlich erstarrte Welt beschreibt, die unter Dürre und Hitze leidet. Die Verse verdichten sich zu einer Mahnung an den Menschen, seine Verantwortung gegenüber der Natur nicht zu vergessen.

Die ersten vier Zeilen entfalten ein bedrohliches Szenario: „Dunst ist die Welle, / Staub ist die Quelle“ – lebensspendende Elemente wie Wasser sind entwertet, ihrer Kraft beraubt. Die Wälder sind „stumm“, was auf Leblosigkeit und Erstarrung hinweist. Die Natur ist aus dem Gleichgewicht geraten. Besonders eindrucksvoll ist das Bild des „Feuermanns“, der über die Felder tanzt – eine dämonische Gestalt, Symbol für unbarmherzige Hitze, Zerstörung und vielleicht auch menschlichen Hochmut.

Die zweite Strophe nimmt eine warnende, fast unheimliche Tonlage an: „Nimm dich in acht!“ – eine direkte Ansprache an den Hörer oder Leser. Die Drohung, dass „die Mutter“ einen „heim in die Nacht“ holen könnte, klingt zunächst mystisch, verweist aber auf eine mythische Naturmacht – möglicherweise den Tod oder ein Vergessenwerden im Kreislauf der Elemente. Die „Mutter“ kann sowohl als Symbol für Natur als auch für das Jenseits gedeutet werden.

Das Sprüchlein ist bewusst archaisch und rätselhaft formuliert – es wirkt wie ein Relikt aus einer älteren, mythischeren Welt. In seinem Kontext innerhalb des Märchens ruft es die Regentrude – die gute Macht des Wassers und der Fruchtbarkeit – wieder wach. Außerhalb dieses Kontexts wirkt es wie ein ökologisch-moralischer Weckruf: Die Natur duldet das Ungleichgewicht nicht auf Dauer.

In seiner Kürze entfaltet das Gedicht eine starke suggestive Kraft. Es verbindet Naturbilder, mystische Figuren und eine warnende Stimme zu einem poetischen Miniaturdrama über Mensch, Natur und Vergänglichkeit.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.